Informations- und Kommunikationsverhalten in der Corona-Krise: Befunde aus der Deutschschweiz zu Relevanz, Funktionen und Bewertung verschiedener Information- und Kommunikationsformen während der ersten Tage des Lockdowns

2020 
Die Corona-Krise stellt eine Ausnahmesituation dar, in der etablierte Routinen und Muster des Informations- und Kommunikationsverhaltens unterbrochen oder in Frage gestellt werden. Dies trifft insbesondere auf die erste Phase des sogenannten Lockdowns zu. Die vorliegende Studie untersucht das Informations- und Kommunikationsverhalten der Schweizer Bevolkerung wahrend der ersten Phase der Corona-Krise. Vom 19. bis 24. Marz wurden 1'005 Personen (Rekrutierung durch GfK) mittels einer Online-Befragung nach ihrer Bewertung verschiedener Informations- und Kommunikationsformen (redaktionelle Medien, interpersonale Kommunikation, Soziale Medien) befragt. Die Stichprobe wurde nach Alter und Geschlecht (gekreuzt) quotiert und kann fur die Deutschschweizer Bevolkerung ab 15 Jahren mit Internetzugang als reprasentativ betrachtet werden. Die wichtigsten Befunde bzgl. des Informations- und Kommunikationsverhaltens in der Corona-Krise sind: (1) Relevanz: Die Deutschschweizer*innen schreiben den Informationsangeboten des Bundes und den Sendern des Schweizer Fernsehens in der Corona-Krise eine besonders grosse Relevanz zu. Eine bedeutende Rolle spielt auch die interpersonale Kommunikation uber verschiedene Kanale (face-to-face, SMS/Instant Messenger, Telefonie/Videotelefonie). Als wenig relevant werden die Sozialen Medien, wie Twitter, Facebook und Instagram, bewertet. Klassische Nachrichtenmedien spielen fur altere Personen eine hohere Rolle als fur Jungere, bei den Sozialen Medien ist das umgekehrt. Abgesehen von diesen Unterschieden sind die Informationen des Bundes und die Sender des Schweizer Fernsehens auch fur die Jungeren die wichtigsten Informationsquellen. (2) Funktionen: Die redaktionellen Medienangebote erfullen die Funktionen der Information und der inhaltlichen Einordnung am besten und helfen am starksten, emotional mit den Unsicherheiten umzugehen, die mit der Corona-Krise einhergehen. Im Vergleich zu den beiden alteren Altersgruppen (30-59 Jahre, 60-88 Jahre) nehmen die Jungeren (16-29 Jahre) uber alle Kommunikationsformen hinweg am ehesten Dysfunktionen in der Informationsleistung und der Unterstutzung bei der kognitiven und affektiven Verarbeitung der Corona-Krise wahr. (3) Umfang & Ton: Eine Mehrheit der Deutschschweizer*innen findet, dass die Corona-Krise zu viel thematisiert wird (und das bereits zu Beginn des Lockdowns). Besonders ausgepragt ist diese Einschatzung bei den Jungeren. Die Tonalitat der redaktionellen Medienangebote wird mit zunehmendem Alter eher als angemessen beurteilt. Besonders kritisch aussert sich die alteste Gruppe hingegen bzgl. der Thematisierung in den sozialen Medien, welche von einem Funftel als verharmlosend wahrgenommen wird. (4) Informiertheit: Die Deutschschweizer Bevolkerung fuhlt sich zu Beginn des Lockdowns gut bis sehr gut zur Corona-Krise und zur Bedeutung der Corona-Krise fur sie und ihren Alltag informiert. (5) Vertrauen: Das Vertrauen der Deutschschweizer Bevolkerung in die offentlichen Institutionen der Schweiz ist sehr gross. Dies umfasst sowohl das Gesundheitswesen und das BAG als auch die Exekutive (Bundesrat) sowie die offentlichen Radio- und TV-Sender. Dieses Systemvertrauen nimmt mit zunehmendem Alter leicht zu. Die Befunde zeigen, dass die Schweiz uber eine gut funktionierende kommunikative Infrastruktur verfugt, um die breite Bevolkerung in einer Krisensituation zu erreichen und uber die wichtigsten Massnahmen zu informieren. Zudem wird ersichtlich, dass die zustandigen Institutionen des Bundes und die offentlichen Medienangebote ein grosses Vertrauen in der Bevolkerung geniessen. Umso wichtiger ist es, dass der kritische Diskurs uber staatliche Massnahmen und die Rolle der Medien, der aufgrund des akuten Handlungsbedarfs in der nationalen Krise nicht vollumfanglich stattfinden konnte, nachgeholt wird, um das Vertrauen der Bevolkerung zu rechtfertigen und den Handlungsspielraum fur zukunftige Krisen zu legitimieren.
    • Correction
    • Source
    • Cite
    • Save
    • Machine Reading By IdeaReader
    0
    References
    0
    Citations
    NaN
    KQI
    []