Wie fair ist die Energiewende? Verteilungswirkungen in der deutschen Energie- und Klimapolitik

2021 
Im Kern eines Instrumentenmixes fur die deutsche Energie- und Klimapolitik sollte nach Ansicht von Andreas Loschel, Universitat Munster, eine allgemeine CO2-Bepreisung stehen, die einen okonomisch sinnvollen und langfristigen Rahmen fur die umfangreiche Transformation setzt. Bei marktwirtschaftlichen Preis- oder Mengeninstrumente genuge zur kosteneffizienten Erreichung der Ziele, klimaschadlichen Aktivitaten einen angemessenen einheitliches CO2-Preis zu geben. Zudem generiere die CO2-Bepreisung Einnahmen, die eine gerechte Transformation ermoglichen. Till Baldenius, Tobias Bernstein, Matthias Kalkuhl, Maximilian von Kleist-Retzow und Nicolas Koch, MCC, diskutieren die Verteilungswirkungen von Preis- und ordnungsrechtlichen Instrumenten fur mehr Klimaschutz im Verkehrssektor. Sie zeigen, dass sowohl CO2-Effizienzstandards als auch Subventionen und Fahrverbote problematische Verteilungswirkungen haben und regulatorische Masnahmen nicht durch vorteilhafte Verteilungswirkung gegenuber Preisinstrumenten gerechtfertigt werden konnen. Anke Bekk, Anne Held und Jan George, Fraunhofer Institut fur System- und Innovationsforschung, zeigen, dass eine Abschaffung der EEG-Umlage Verzerrungen im Wettbewerb zwischen konventionellen Technologien und Sektorkopplungstechnologien verringern wurde. Eine Refinanzierung uber eine hohere CO2-Bepreisung des EEG-Finanzierungssystems konnte somit einen wichtigen Beitrag zur weiteren Marktdurchdringung von Sektorkopplungstechnologien leisten und zur Beschleunigung der Dekarbonisierung der Energiewende beitragen. Allerdings seien damit Verteilungseffekte verbunden, fur die ein Ausgleichsmechanismus implementiert werden sollte, beispielsweise eine Pro-Kopf-Ausschuttung zur Entlastung einkommensschwacher Haushalte. Doina Radulescu, Universitat Bern, stellt die Probleme vor, die entstehen, wenn mehrere Ziele – Umwelt-, Verteilungs- und Wettbewerbspolitik – mit einem einzigen Instrument adressiert werden. Umweltziele sollten uber CO2-Steuern, Verteilungsziele uber progressive Einkommensteuern und Industriepolitik uber weitere Masnahmen erreicht werden. Unterschiedliche Vorstellungen von Gerechtigkeit spielen fur die Zustimmung zu klimapolitischen Masnahmen eine grose Rolle. Michael Pahle, Potsdam-Institut fur Klimafolgenforschung, Stephan Sommer, RWI, und Linus Mattauch, University of Oxford, untersuchen, unter welchen Aspekten die Bevolkerung einem CO2-Preis zustimmt und ihn als fair wahrnimmt. Sie zeigen, dass zur Verbesserung der gesellschaftlichen Unterstutzung eine direkte Ruckverteilung, bevorzugt mit einer Pro-Kopf-Pramie, erfolgen sollte. Eine Studie von Daniela Setton und Ortwin Renn, IASS, kommt zu dem Ergebnis, dass die Energiewende von der Mehrheit der Bevolkerung als ungerecht eingestuft wird, insbesondere im Hinblick auf die Kostenverteilung. Quer durch alle Bevolkerungsgruppen zeige sich bei den gewunschten Kostenverteilungsregeln eine klare Praferenz fur Verursachergerechtigkeit, dabei stehe jeweils die Klimaverschmutzung oder die Hohe des Energieverbrauchs im Vordergrund. Wer viel verbraucht oder hohe CO2-Emissionen verursache, solle mehr, nicht weniger fur die Energiewende zahlen. Es sei vor diesem Hintergrund nicht verwunderlich, dass eine breite Mehrheit der Bevolkerung die EEG-Ausnahmeregeln fur die stromkostenintensive Industrie ablehne. Hartmut Kahl, Stiftung Umweltenergierecht, pruft, ob das Modell der Schweiz, die eine CO2-Abgabe auf fossile Brennstoffe erhebt und deren Aufkommen zu zwei Dritteln an die Bevolkerung ruckerstattet, als Vorbild fur Deutschland dienen konnte. Im Ganzen zeige sich, dass die Pro-Kopf-Ruckerstattung einer CO2-Bepreisung in Deutschland rechtlich umsetzbar sei. Ob diese Verwendung der eingenommenen Mittel sinnvoll sei oder die Gelder an anderer Stelle eine ungleich starkere Hebelwirkung in Sachen Klimaschutz entfalten konnten, sei aber eine andere Frage. Karen Pittel, ifo Institut, diskutiert die Frage der Verteilung der Lasten aus der Klimapolitik auf verschiedene Generationen. Eine Politik, die zu kurzfristig ausgelegt sei, konne die Kosten der Erreichung langfristiger Klimaziele erheblich erhohen. Die Formulierung von jahresgenauen Zielen fur die Emissionsminderung leiste einer solch inkrementellen Denkweise weiteren Vorschub und konne sich negativ auf die Erwartungen und Innovationstatigkeit von Unternehmen auswirken.
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