Die Stiftungsfinanzierung als öffentliche Umwegfinanzierung

1996 
Lediglich den Charakter eines Nebenschauplatzes in der Debatte um die staatliche Parteienfinanzierung nehmen die Erorterungen uber die „parteinahen“ politischen Stiftungen in der Bundesrepublik ein. Die jahrelange weitgehende Dethematisierung der Stiftungsfinanzen erscheint um so erstaunlicher, als die offentlichen Subventionen fur die Stiftungen der im Bundestag vertretenen Parteien (mit Ausnahme der PDS) inzwischen nahezu den dreifachen (!) Betrag ausmachen, den die Parteien selbst jahrlich an staatlichen Geldern erhalten. Finanziert werden solcherart die Friedrich-EbertStiftung (FES), die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), die Friedrich-NaumannStiftung (FNS), die Harms-Seidel-Stiftung (HSS) und der Stiftungsverband Regenbogen (SVR). Die in den 60er Jahren nur einen Bruchteil der Parteienfinanzierung umfassenden Stiftungsgelder haben so inzwischen die direkten staatlichen Parteizuwendungen weit uberrundet: Die offentlichen Zahlungen an die funf etablierten Stiftungen sind in der Zeit von 1966 bis 1993 sechsmal (!) so schnell gestiegen wie die Zuwendungen an die Parteien im Rahmen der WKKE (vgl. v. Arnim 1993d: 192). Allein der Haushalt der FES als der grosten der parteinahen Stiftungen wies fur das Jahr 1994 mit einem Zuschus von 221 Mio. DM aus dem Bundeshaushalt ein Volumen auf, das nahe an die vom BVerfG festgelegte Hochstgrenze der gesamten direkten staatlichen Parteienfinanzierung von 230 Mio. DM heranreicht (vgl. FES Jahresbericht 1994: 68). Vergleichsweise exorbitante Steigerungsraten, die eine „vollstandige Abkoppelung von allen gesamtwirtschaftlichen Vergleichsindikatoren“ belegen, weisen im Kontext der staatlichen Politikfinanzierung nur die Gelder fur die Fraktionsfinanzierung auf (Volkmann 1993: 39). Schien es zu Beginn der 90er Jahre angesichts der Mittelkurzungen fur die etablierten Stiftungen im Bundeshaushalt und angesichts der Neubelebung der Diskussion uber die Stiftungsfrage infolge des Urteils des BVerfG vom April 1992 noch so, als seien die Zeiten des ungehemmten Anstiegs offentlicher Zahlungen an die Stiftungen beendet192, so deuten die Zahlen fur 1995 und 1996 wie auch die Erklarungen namhafter Politiker heute erneut auf eine weitere Ausdehnung der offentlichen Mittel hin. Gerade nachdem auf den Topf der direkten staatlichen Parteienfinanzierung in Form der Neuordnung und Begrenzung zunachst einmal der Deckel gelegt wurde, scheint die Verlockung fur die etablierten Parteien gros, vermehrt aus den beiden anderen grosen Topfen, jenen der indirekten Finanzierung, der Fraktionsund vor allem der Stiftungsfinanzierung, zu schopfen. Abermals wird hier ein durchgehendes Merkmal der deutschen Parteienfinanzierung in den letzten Jahrzehnten deutlich: Die bundesdeutschen Parteien haben es vorzuglich verstanden, Beschneidungen und Kurzungen offentlicher Parteiengelder in einem Bereich durch Erweiterung und Aktivierung anderer staatlicher Finanzquellen und Unterstutzungsbereiche sofort wieder auszugleichen und die Gesamthohe der staatlichen Subventionen und Leistungen letztlich weiter hochzutreiben. Politikfinanzierung — dies wird auch und gerade bei Betrachtung der Entwicklung der Umwegfinanzierung der Parteien uber die Stiftungen deutlich — mus stets im Zusammenhang mit der Entwicklung des gesamten Spektrums staatlicher Finanzierungsarten betrachtet werden193. Die hohen Steigerungsraten bei der Stiftungsfinanzierung sind heute neben denen der Fraktionsfinanzierung — pointiert formuliert — der „eigentliche Skandal“ offentlicher Parteienfinanzierung in der Bundesrepublik. Ahnlich wie bei der Frage der Installierung direkter staatlicher Zuwendungen an die Parteien nahm die Bundesrepublik auch in der Etablierung der offentlichen Stiftungsfinanzierung im internationalen Vergleich eine Vorreiterrolle ein194. Art und Ausmas der massiven staatlichen Unterstutzung der parteinahen Stiftungen und damit der Umfelder der Parteien stellen weltweit bis heute eine deutsche Besonderheit dar.
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