Zum Verhältnis von Interesse und Lebensweltbezug bei Lernaufgaben im Unterrichtsfach Geschichte

2020 
Die geschichtsdidaktische wie allgemeindidaktische Theorie postulieren Lebensweltbezuge als interessenforderliches Merkmal von Unterricht und Lernaufgaben (Gautschi 2011; WaldisB Bergmann 2002; Kleinknecht et al. 2012). In der Studie wird zunachst das theoretische Konzept des Lebensweltbezugs im Kontext des historischen Lernens diskutiert und fur die Hypothesenprufung operationalisiert. Fur die empirische Untersuchung der Wirksamkeitsannahmen des Lebensweltbezugs von Geschichtsaufgaben wird das situationale Interesse als zweidimensionales Konstrukt bestehend aus Aufgabeninteressantheit und subjektiver Bedeutsamkeit der Aufgabe (vgl. auch HidiR DurikH Mitchell 1993) konzeptualisiert. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich Merkmale der Aufgabe auf beide Komponenten des situationalen Interesses unterschiedlich auswirken konnen. Zusatzlich wird ein Einfluss des individuellen Fachinteresses an Geschichte auf die Aufgabenwahrnehmung angenommen. Eine differenzielle Betrachtung des Interesses (Fachinteresse und situationales Interesse) fur das Fach Geschichte stellt bislang ein Desiderat dar. Sowohl auf Aufgaben- wie auch auf Individualebene liegen hierzu nur wenige Befunde fur das historische Lernen vor (Bracke et al. 2014). Ebenso lasst sich die interessenforderliche Wirkung des Lebensweltbezugs fur Geschichte bislang nur unzureichend empirisch belegen. Fur die Studie wurden insgesamt 34 Aufgaben zu drei Themengebieten des Geschichtsunterrichts der 9. Jahrgangsstufe inhaltsanalytisch hinsichtlich ihres Lebensweltbezugs untersucht sowie 801 Schuler/innen bayerischer Realschulen hinsichtlich der wahrgenommenen Interessantheit und Bedeutsamkeit der Aufgaben befragt. Die Wirkung des jeweiligen Lebensweltbezugs sowie des individuellen Fachinteresses auf die wahrgenommene subjektive Bedeutsamkeit und Interessantheit der Aufgaben wurde mittels Cross-Classified Mulitlevel Analysen mit dem Statistikprogramm MPlus (Muthen und Muthen 2012) uberpruft. Die Analysen zeigten, dass grundsatzlich das bereits bestehende Fachinteresses Geschichte eines Menschen die wahrgenommene Interessantheit und Bedeutsamkeit der Aufgabe pradiziert, unabhangig von den Merkmalen der Aufgabe. Die differenzielle Wirkung von Aufgabenmerkmalen auf die beiden Komponenten des situationalen Interesses kann den Ergebnissen gemas bestatigt werden. Insgesamt gesehen wirkt der Lebensweltbezug einer Aufgabe insbesondere auf die subjektive Bedeutsamkeit und nicht auf die Aufgabeninteressantheit. Es wird diskutiert, dass das Fachinteresse an Geschichte als Pradiktorvariable eine wichtige Einflussgrose auf die Aufgabenwahrnehmung darstellt. Zugleich ist das situationale Interesse, das beim Lernen geweckt wird, eine wichtige Voraussetzung dafur, dass sich dauerhaft ein stabiles individuelles Fachinteresse ausbilden kann (Ferdinand 2014). In der geschichtsdidaktischen Forschung wurde den motivationalen Bedingungen des historischen Lernens insgesamt bislang nur wenig Aufmerksamkeit beigemessen. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass eine intensivere Erforschung einer interessenforderlicher Unterrichts- und Aufgabengestaltung, die sowohl die situationale Interessantheit als auch die subjektive Bedeutsamkeit anregt, einen wertvollen Beitrag zur Erweiterung des empirischen Forschungsfeldes in der Geschichtsdidaktik leisten kann.
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