Universitas und Studium zu den Verfassungsstrukturen Mittelalterlicher Universitäten

1999 
Wenn von der Geschichte von Universitdten im Mittelalter gesprochen wird, muB auch von der damaligen inneren Struktur dieser Einrichtungen die Rede sein. Es muB gesprochen werden iiber das, was Historiker die ?Verfassung? der Universitaten nennen, und damit iiber die innere Ordnung des Lebensbereichs, die sich, ursprunglich geplant und gewollt oder auch gegen die unmittelbare Absicht der Beteiligten, im Laufe der Entwicklung herausgebildet hat. Nur durch eine Reflexion auf die Organisationsform der Universitaten sind Leistungsfahigkeit und Leistungsgrenzen der mittelalterlichen Universitaten voll abzusehatzen. Nur so lassen sich die Zwange und Handlungsspielraume der an den mittelalterlichen Universitaten lebenden Menschen genauer ermessen. Mit der Frage nach der Verfassung der mittelalterlichen Universitat bewegen wir uns freilich gleichsam im Windschatten der gegenwartigen Forschungsinteressen. Wahrend vor hundert, ja noch vor fiinfzig Jahren die Verfassungsgeschichte geradezu im Zentrum des Interesses an der Geschichte der Hochschulen stand, gilt heute die Geschichte von Institutionen und den Rechtsbeziehungen ihrer Mitglieder leicht als trocken, abstandig und abstrakt, da es die historische Wissenschaft gelernt hat, die Frage nach den rechtlichen Rahmenbedingungen der Beziehungen von Menschen untereinander innerhalb bestimmter Organisationen nicht mehr als letztentscheidende Voraussetzung ihrer Lebensverhaltnisse anzusehen, sondern eher als Ausdruck ihrer praktischen, ihrer praktizierten Verhaltensweisen, die ihrerseits teilweise aufgrund ganz andersartiger Motive und Triebkrafte Gestalt gewihnen. Eine Verfassungsgeschichte ? und erst recht jene Spielart von Verfassungsgeschichte, die sich mit den einzelnen Institutionen einer Gruppe beschaftigt ? wird daher leicht als Vordergrunderscheinung tiefer liegender Krafte und Bedingungen verstanden, der gegenuber dann den eigentlichen Bestimmungsfaktoren naturgemaB die groBere Aufmerksamkeit zu gelten hat, wahrend der konkreten ?Verfassung? nurmehr ein sekundares Interesse zugewandt werden kann. Das Schlagwort, das heutige Bemiihungen kbnturiert, heiBt: Sozialgeschichte, allenfalls neuerdings Kulturgeschichte.
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