Die Veraenderung der Fahraufgabe durch Fahrerassistenzsysteme und kontinuierlich wirkende Fahrzeugautomatisierung
2015
Gegenstand der Darstellung ist die verhaltens- und haftungsrechtliche Bewertung und Einordnung von Fahrerassistenzsystemen und Fahrzeugautomatisierung. Um den bevorstehenden Wandel bei der Fahrzeugsteuerung zu erlaeutern und gegenueber bereits marktverfuegbaren Systemen abzugrenzen, werden einleitend unterschiedliche Wirkweisen von Systemen klassifiziert, auch um eventuelle Anpassungen des Verhaltens- und Haftungsrechts, die sich als noetig erweisen koennten, genauer erkennbar zu machen. Fuer die rechtliche Bewertung wird die arbeitsteilige Aufgabenwahrnehmung durch den Fahrer und die Fahrerassistenz-Funktion zugrunde gelegt. Es werden folgende Funktionen abgegrenzt: A) informierende und warnende Funktionen, B) kontinuierlich automatisierende Funktionen sowie C) eingreifende Notfallfunktionen. Die Systeme aller drei Wirkweisen werden anschliessend in Bezug auf die rechtlichen Rahmenbedingungen eroertert. Fuer die Wirkweise B) "kontinuierlich automatisierende Funktionen" werden zusaetzlich die Automatisierungsgrade von Stufe 0 bis Stufe 5 abgegrenzt. Diese Einordnung folgt den Ergebnissen der BASt-Projektgruppe "Rechtsfolgen zunehmender Fahrzeugautomatisierung" (siehe AN 01449433) und ist damit grundsaetzlich vergleichbar mit dem SAE-Standard J3016 mit ebenfalls 5-stufiger Einteilung hinsichtlich des Automatisierungsgrads. Beim Automatisierungsgrad wird abgegrenzt die Assistenz und Teilautomatisierung (Stufe 1 und 2) sowie das hochautomatisierte, vollautomatisierte und fahrerlose/autonome Fahren (Stufen 3 bis 5). Ab Stufe 3 (SAE-Begriff "Conditional automation") ist eine solche Automatisierung von Laengs- oder Querfuehrung des Fahrzeugs erreicht, dass eine Abwendung von der Fahraufgabe und damit die Beschaeftigung des Fahrers mit einer sogenannten Nebenaufgabe moeglich wird. Eine Rueckuebernahme der Fahraufgabe ist noch vorgesehen. Ab dieser Stufe 3 ergibt sich ein "Automatisierungsrisiko", das im Wesentlichen von der sorgfaeltigen technischen Funktionsabsicherung der Systeme durch die Hersteller abhaengt. Die Rueckuebernahme der Fahrzeugsteuerung durch den Fahrer ist nach einer - noch naeher zu bestimmenden - Vorlaufzeit erforderlich, bis dahin muss die Systemfunktion zur Steuerung des Fahrzeug noch eigenstaendig arbeiten. Es wird zusammengefasst, dass der mit Stufe 3 einhergehende Wandel der Fahrzeugsteuerung, der ein "eigenstaendiges maschinelles Wirken" darstellt, auch vor dem verfassungsrechtlichen Hintergrund als wesentlich einzuordnen ist. Aus Sicht des Verfassers erscheint es notwendig, dass ein formelles Gesetz eine solch grundlegende Veraenderung aufgreift. In haftungsrechtlicher Hinsicht wuerde dieses "eigenstaendige maschinelle Wirken" zu grundlegenden Veraenderungen fuehren, die nur von Tatbestaenden der Gefaehrdungshaftung noch erfasst werden kann. Neben der Halterhaftung sei hier auch die Produkthaftung zu nennen. Sowohl in Bezug auf die Halterhaftung als auch die Produkthaftung werde entscheidend sein, fahrergesteuerte und maschinell gesteuerte Phasen im Schadensfalll noch ausreichend beweissicher unterscheiden zu koennen. Hiermit werden weitere Fragen im Bereich des Datenschutzes aufgeworfen.
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