Der alte Mensch zwischen Würdeanspruch und latenter Entwürdigung

2017 
Heinz Ruegger konstatiert in seinem Beitrag «Der alte Mensch zwischen Wurdeanspruch und latenter Entwurdigung»: «Mit dem Altern haben wir ein Problem.» Er verweist damit auf die widerspruchliche Haltung in Teilen der Gesellschaft, wonach eine Verlangerung der personlichen Lebensspanne gewunscht und gefordert, zugleich aber ein «Kampf gegen das Altwerden im biologischen Sinne korperlicher und geistiger Veranderungen» gefuhrt werde. Ruegger verbindet diesen beobachteten Kampf gegen bzw. die Angst vor dem Alterwerden mit einem veranderten Wurdeverstandnis: Wahrend eine klassische Konzeption Wurde als unverlierbar, menschlichem Leben grundsatzlich inharent und allen Menschen gleichermassen zustehend versteht, so kommt daneben ein fundamental neues Verstandnis auf, das Wurde als kontingent, von menschlichen Grundeigenschaften (Intentionalitat, Selbstandigkeit, soziale Eingebundenheit, u.a.) abhangig und somit auch verlierbar erachtet. Dieses Wurdeverstandnis ist nach Ruegger «fatal», da dadurch «gerade diejenigen Personen aus dem Schutzbereich der Menschenwurde […] heraus[fallen], die ihrer in besonders hohem Masse bedurfen: namlich hochaltrige Pflegebedurftige.» Ruegger pladiert entgegen anderslautenden reduktionistischen Vorstellungen fur ein Menschenbild, das «das grundlegende Verwiesensein jedes Menschen in seiner Verletzlichkeit und Fragilitat auf die Hilfe durch andere als ein konstitutives Element echten Menschseins» anerkennt und damit der vielfaltigen «Anti-Aging»-Bewegung mit ihren «rein negativen, monodisziplinaren und unidirektionalen Alternsdefinitionen» entgegentritt. Er propagiert vielmehr ein Konzept des «Pro Aging», d.h. ein KOnzept, das «den Lebensverlauf als eine Abfolge von verschiedenen Stufen versteht, die alle ihr eigenes Recht, ihre eigene Bedeutung sowie ihre spezifischen psychosozialen Moglichkeiten und Herausforderungen haben» und die untereinander gleichwertig sind. So zeigt sich nach Ruegger das Ernstnehmen der Wurde gerade alterer Menschen in zwei spezifischen Konkretionen, zum einen in der Frage der Autonomie (u.a. mit der unbedingten Respektierung des Autonomie-Anspruchs einer jeden Person) sowie zum anderen in der Frage der Diskriminierung aus Altersgrunden, die sich u.a. in der Festlegung von oberen Altersgrenzen bei Gremien sowie in der Vorenthaltung bestimmter indizierter medizinischer Leistungen aufgrund des kalendarischen Alters manifestiert.
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