Ideen und Interessen. Die Seitenwechselproblematik am Beispiel der Hinduismus- und Judentum-Studie von Max Weber

2011 
Ein zweifaches Erklarungsproblem beschaftigt Weber in seinen religionssoziologischen Studien: Zum einen die Erklarung der Wirkung, die religiose Ideen auf die Interessen der Akteure ausuben, zum anderen die Erklarung der Wirkung materieller Interessenlagen auf die Glaubensinhalte und Ideen religioser Akteure. In der „Vorbemerkung“ zu den Studien uber die „Wirtschaftsethik der Weltreligionen“ spricht er auch von zwei „Seiten“ der „Kausalbeziehungen“. Dabei steht die Protestantismusstudie fur die eine Seite der Kausalbeziehung, wahrend die „spateren Aufsatze“ uber den Konfuzianismus, Hinduismus, Buddhismus und das antike Judentum „versuchen, in einem Uberblick uber die Beziehungen der wichtigsten Kulturreligionen zur Wirtschaft und sozialen Schichtung ihrer Umwelt, beiden Kausalbeziehungen […] nachzugehen“ (Weber 1988: 12). Die Rede von zwei Seiten der Kausalbeziehung macht deutlich, dass es Weber um eine Wechselwirkung von Ideen und Interessen geht. Doch diese Konstruktion ist mit einer grundsatzlichen Schwierigkeit behaftet. Versteht man darunter eine synchrone Kraftwechselwirkung, so ist gemas einer gunstigen Interpretation ein Einpendeln des gegebenen sozialen Gebildes irgendwo „in der Mitte“ des Kraftefeldes zu erwarten; in einer weniger gunstigen Interpretation ist das Argument einfach zirkular. Selbst wenn man von einer gunstigen Interpretation ausgeht, fuhrt die synchrone Wechselwirkung zu einem Durchschnitts resultat. Doch in Webers Analysen findet man keine Spur von „Durchschnitts“-Erklarungen und „Durchschnitts“-Denken. Nicht nur in der Protestantismusstudie, die gezielt nur die eine Seite der Kausalbeziehung verfolgt, sondern auch in den ubrigen „Aufsatzen“ findet man sauber herauspraparierte ideelle Wirkungszusammenhange, deren herausragendste Eigenschaft in der Brechung materieller Interessen besteht. Umgekehrt liefern Webers Analysen genugend viele Beispiele von durchschlagenden Wirkungen materieller und ideeller Interessen auf die ideellen Konstruktionen, die den Bedurfnissen der Glaubigen radikal angepasst werden.
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