Arbeit und Zeit
2014
Befragt man jedoch das Alltagsbewustsein nach dem Gegenbegriff von Arbeit, so wird man in vielen Fallen horen, das sei die Freizeit. In einigen anderen Fallen vielleicht auch, das sei die Arbeitslosigkeit. Die erste Antwort ist insofern interessant, als hier dem Arbeitsbegriff ein Zeitbegriff entgegengestellt wird, was, rein logisch gesehen, ein Kategorienfehler ist, was aber – nun nicht-normativ gesprochen – nichts anderes heist, als das auch an Arbeit das Zeitmoment fur wesentlich erachtet wird („Zeit ist Geld“, sagt man). Nun konnte man, okonomisch oder soziologisch gesinnt, meinen, es ginge um Abgrenzungen einer objektiven und durch die Objektivitat von Uhren mesbaren Zeit des Arbeitens von einer ebenso mesbaren Zeit des von Arbeit freien Lebensvollzugs. Schon die letztere Formulierung durfte Zweifel aufwerfen. Denn was tut der, der nur lebt und in diesem Lebensvollzug jeden Anschein vermeidet, seine Tatigkeiten konnten Arbeiten sein, lebt er etwa auserhalb der Zeit? Gewis, man sagt auch, das dem Glucklichen keine Stunde schlage, aber im Grunde meint man doch damit, das er es nur nicht bemerke, wie die Zeit verrinnt. Dieses Gluck ist eben nicht verfugbar, sondern ist, wie bereits die Antike wuste, „ein Geschenk der Gotter“. Da das Auserhalb von Zeit unsinnig wurde, haben wir uns daran gewohnt, die Redeweise zuzulassen, das auch in der Frei-Zeit, der arbeitsfreien Zeit also, gearbeitet werden konnte, und zwar keineswegs nur im Sinne von Schwarzarbeit. Also gewohnte man sich an, die entlohnte Zeit der Arbeit von der nicht-entlohnten Zeit eines Arbeitens innerhalb der sogenannten Frei-Zeit zu unterscheiden. Dadurch aber verschwindet der Arbeitsbegriff, und es bleibt lediglich eine durch Geldzuwendungen definierte Lebenszeit im Unterschied zu einer nicht durch Geldzuwendungen definierten Lebenszeit. Dann aber werden wir sofort von der nachsten Frage belastigt: Wie ist das dann mit den Sozialhilfeempfangern, den geschiedenen Ehefrauen, den Kindern, den Rentnern, den Superreichen, die ihr Geld „arbeiten“ lassen, u. a. Diese erhalten fur ihre von Lohnarbeit freie Zeit dennoch Geld, ganzlich unabhangig davon, ob sie im zweiten Sinne von Arbeit arbeiten oder nicht. Also scheint auch dieses Abgrenzungskriterium zusammenzubrechen. Weder eine arbeitende Tatigkeit noch eine Geldzuwendung scheint ein mogliches Kriterium der Unterscheidung von Arbeit und Freizeit abzugeben. Wodurch haben wir dieses begriffliche Chaos verdient, das sich gewis auch noch steigern liese? Der Autor hatte das Chaos nicht angerichtet, wenn er nicht zu wissen glaubte, wie wir zwar nicht aus dem Labyrinth herausfinden, das ja gar kein Chaos ist, sondern ein Zuviel an Ordnung, wohl aber, wie wir die nachste Ecke in ihm meistern konnen. Und dieser Rat sieht folgendermasen aus.
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