Über Mißbrauch von Abhängigkeit in der Psychotherapie

1991 
Gelegentlich hore ich in Supervisionen, wie die vorstellenden Kollegen uber Patienten denken bzw. uber sie reden, die bereits eine oder mehrere Psychotherapien hinter sich haben. Hier entsteht leicht ein Unmut uber die Patienten, die immer noch nicht besser geworden seien. Nicht selten wird ihnen unterstellt, sie seien entweder Theiapeutenkiller, voller Widerstande oder zu neuro-tisch, urn sich helfen zu lassen. Aus solchen Einstellungen entwickelt sich haufig ein Klima, das einen neuen Therapieversuch sicherlich nicht begunstigt, sondern erschwert. Interessant ist auch, das die Kollegen immer nur die Seite des Patienten sehen und ihm seine widerstandliche Neurose vorhalten, das aber kaum je gefragt wird, was denn dem Patienten in seiner psychotheiapeutischen Vorbehandlung ge-schehen sei, ob er sich verstanden gefuhlt habe, nach welcher Methode der Vorbehandler vorgegangen sei usw. Also unterstellt der derzeitig behandelnde sei-nem voibehandelnden Kollegen, die Psychotherapie mit zureichender Kompetenz, also sozusagen “nach bestem Wissen und Gewissen” (Rauchfleisch 1982) durchge-fuhrt zu haben und im Verlauf einer solchen Therapie letztlich an den Grenzen des Patienten gescheitert zu sein. Naturlich kann das so sein, aber diese offensichtlich bevorzugte Sicht der Dinge ist nicht nur einseitig, sondern auch naiv und ignorant.
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