Leistungsfähig, männlich, weiß Bevölkerungspolitik im Zeitalter der Reproduktionsmedizin
2004
Bevolkerungspolitik im Sinne eines geplanten, methodischen Eingriffs in das generative Verhalten von Bevolkerungen wird heute sowohl von einzelnen Staaten gegenuber der eigenen Bevolkerung als auch gegenuber der Bevolkerung anderer Staaten praktiziert. Sie ist nicht nur fester Bestandteil internationaler und nationaler Politik, sondern hat in Folge des Konsenses von Kairo auch eine neue offentliche Legitimation erlangt. Wie alle anderen Politikfelder wird auch Bevolkerungspolitik masgeblich von den Interessen der Hauptakteure bestimmt. Im Bereich der Bevolkerungspolitik gehoren dazu sowohl einflussreiche private Organisationen, die haufig von Industriellen unterstutzt werden, internationale Organisationen wie die UNO oder die Weltbank und nationale Regierungen als auch zahlreiche reformerische Bewegungen und religiose Gruppen (vgl. Mertens 1998: 156f.). Zu den von ihnen verfolgten Interessen zahlen vor allem die Aufrechterhaltung des kapitalistischen Wirtschaftssystems und die Ausdehnung des eigenen Einflussbereiches, die Sicherung von Ressourcen, die Entwicklung neuer Technologien, die „Optimierung“ der Bevolkerung, die Kontrolle der Gebarfahigkeit von Frauen und der Erhalt der naturlichen Umwelt (vgl. Schneider 2000: 10). Nach Aufnahme der zentralen Forderungen der Frauengesundheitsbewegung in das Abschlussdokument der jungsten Weltbevolkerungskonferenz 1994 in Kairo verbleibt nur noch ein kleiner Teil von Kritikerinnen, die Bevolkerungspolitik und das ihr zugrundeliegende Dogma der „Uberbevolkerung“ noch immer als eine Strategie zur Aufrechterhaltung eines auf westlichen Werten basierenden, mannlich dominierten kapitalistischen Weltsystems grundsatzlich ablehnen.
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