Stoffstrom- und Nutzwertanalysen als Beitrag zur Optimierung von Wasserinfrastruktursystemen

2018 
Fur eine zukunftsfahige Weiterentwicklung der Menschheit wird die Entwicklung und Umsetzung von nachhaltigen Infrastruktursystemen mit ressourceneffizienten/-schonenden Ansatzen immer wichtiger. Auch in der Siedlungswasserwirtschaft haben in den letzten Jahren Themen wie Kreislauffuhrung und Effizienzsteigerung an Bedeutung gewonnen. Exemplarisch wird diese Entwicklung beim Abwasser deutlich, welches aufgrund seines bisher noch weitgehend ungenutzten energetischen wie stofflichen Potenzials, zunehmend anstatt eines Abfallproduktes als Ressource und Rohstoff betrachtet wird. Die ursprunglichen Ziele der Abwasserentsorgung konnen mit dem bestehenden konventionellen Wasserinfrastruktursystem in der Regel zufriedenstellend erfullt werden. Unter Berucksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten ist das System jedoch trotz Weiterentwicklungen und Optimierungen in den letzten Jahren einer wachsenden Kritik ausgesetzt. Daher sind eine grundsatzlich veranderte Ressourcennutzung, die Entwicklung und Umsetzung von neuen Systemlosungen und Techniken sowie der mittel- bis langfristige Umbau der Versorgungs- und Entsorgungssysteme zwingend notwendig. Das Ziel dieser Arbeit war, mithilfe von Stoffstrom- und Nutzwertanalysen sechs verschiedene technische Wasserinfrastruktursysteme in den Stadten Hamburg und Qingdao (China) bezuglich der Stoffstrome Wasser, Energie und Nahrstoffe, auf hauslicher Ebene bzw. Siedlungsebene miteinander zu vergleichen. Es sollten Ruckgewinnungs- und Wiederverwertungspotenziale sowie die nachhaltigste Alternative identifiziert werden. Weiterhin wurde in dieser Arbeit die Bioabfallbehandlung fur beide Stadte behandelt. Als Ergebnis der Stoffstromanalysen erhalt man potentielle Trinkwassereinsparungen von 24 % bis 27% durch die Einfuhrung alternativer Wasserinfrastruktursysteme mit Kreislauffuhrung der Wasserressourcen bzw. Brauchwassernutzung fur die Toilettenspulung. Der weitergehende Einsatz des Brauchwassers birgt zusatzlich erhebliche Einsparpotenziale bezuglich Trinkwasserbedarf und Abwasseranfall. Hinsichtlich der Energiebilanzen lasst sich eine vorteilhafte Strombilanz des Referenzsystems sowohl in Hamburg als auch in Qingdao feststellen. Weiterhin ist ein besseres Abschneiden hinsichtlich der Warmebilanzen bei den Systemvarianten mit einer Warmeruckgewinnung aus dem Ab-/Grauwasser ersichtlich. Die Energiebilanzen machen auch deutlich, dass der Einsatz von Co-Substraten zu einer verbesserten Strom- und Warmeproduktion und somit zu einer besseren Energiebilanz fuhren kann. Bezuglich der Nahrstoffe Phosphor und Stickstoff lasst sich feststellen, dass durch die Stoffstromtrennung bei den alternativen Wasserinfrastruktursystemen eine Reduzierung der Gewasserbelastung moglich ist. Der Phosphoroutput befindet sich hauptsachlich in den Reststoffen bzw. Garresten. Ahnlich wie beim Phosphorstrom befindet sich auch eine nicht unbedeutende Menge Stickstoff in den Garresten. Bezogen auf die Stickstoffoutputs losen die alternativen Wasserinfrastruktursysteme bisher nicht das Problem, dass es bei der Abwasserbehandlung zu enormen Emissionen, u.a. des Treibhausgases Distickstoffmonoxid, in die Atmosphare kommt. Allerdings konnen die alternativen Wasserinfrastruktursysteme diese unerwunschten Emissionen zumindest reduzieren und sind aus diesem Grund als Weiterentwicklung in die richtige Richtung zu sehen. Bei der Bioabfallbehandlung lasst sich bezuglich der Energiebilanzen feststellen, dass in Qingdao ein groses Potenzial zur Energieproduktion besteht. Die Ergebnisse der Nahrstoffmodellierungen bei der Bioabfallbehandlung haben gezeigt, dass die Phosphor- und Stickstoffmengen in den Bioabfallen im Vergleich zu den Wasserinfrastruktursystemen sehr gering sind und nur eine untergeordnete Rolle spielen. In der Bewertung mithilfe der Nutzwertanalyse mit insgesamt 15 Bewertungskriterien innerhalb der drei Bewertungskategorien „Okologie“, „Technik“ und „Soziokulturelles“ steht fur beide Stadte die alternative technische Systemvariante „Semizentral“ an erster Stelle und schneidet besser als das Referenzsystem ab. Dieses Ergebnis gilt sowohl bei einer Gleichgewichtung aller Bewertungskategorien, als auch bei einer hoheren Gewichtung bzw. Priorisierung der Bewertungskategorien „Technik“ und „Soziokulturelles“. Ubergreifend lasst sich sagen, dass die Einfuhrung von alternativen Wasserinfrastruktursystemen bzw. die Transformation des bestehenden Systems in der schnell wachsenden Stadt Qingdao als sinnvoll und langfristig als notwendig angesehen wird. Allerdings bedarf es politischer Grundsatzentscheidungen und der daraus abzuleitenden Handlungsbedingungen fur die Transformation des bestehenden Systems. Trotz aus der Bewertung hervorgehender Vorteile von alternativen Wasserinfrastrukturen besteht hingegen in Hamburg, auch unter Berucksichtigung von okonomischen und rechtlich-organisatorischen/institutionellen Aspekten, kurz- bis mittelfristig kein Anreiz fur eine Transformation der Wasserinfrastruktur auf Gesamtstadtebene.
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