VEP-Mapping bei Legasthenie

Zahlreiche Gruppierungsversuche der als Teilleistungsstorung (Martinius 1983; Shaywitz u. Waxmann 1987) interpretierten Leseschwache in sprachlich-auditive, raumlich-visuelle und mischfunktionelle Storungen werden heute diskutiert (Kinsbourne u. Warrington 1966; Boder 1973; Mattis et al. 1975; Mattis 1978; Bakker et al. 1980; Licht et al. 1981; Pirozzolo 1981; Fried et al. 1981), wobei insbesondere der Einflus intakter bzw. gestorter visueller Funktionen auf die Entwicklung einer optimalen individuellen Lesestrategie immer noch weitestgehend kontrovers beurteilt wird (Ubersicht bei Metzger u. Werner 1984). Zum Zeitpunkt des Lesenlernens (in Europa ca. zwischen dem 6. und 9. Lebensjahr) befinden sich jedoch noch wesentliche visuelle Voraussetzungen (beidaugige Fixation, zentrale Impulsfusion etc.) in einer physiologischen Reifungsphase (Schubert 1967; Andree 1977; Hohmann u. Haase 1982). Reifungsstorungen oder interokulare Entwicklungsverzogerungen konnen dabei als direkte Folge einer dissoziierten zentralen Interaktion binokular registrierter Reize zu Irritationen innerhalb komplexer, aus zahlreichen Einzelelementen zusammengesetzter Strukturgruppierungen fuhren („crowding-phenomenon“) und somit eine korrekte Wortbilderfassung, -zuordnung und -interpretation im ZNS erschweren oder gar unmoglich machen. Klinisch konnen sich derartig ungleichgewichtige monokulare Leistungen bei Willkurprozessen, denen eine simultane binokulare Wahrnehmung und zentrale Integration der anflutenden Informationen zu Grunde liegen sollte (z.B. dem Lesen) u.a. in vermehrten bifoveal regressiven Abtastbewegungen ausern. Kausaler Hintergrund dieses Phanomens ist wahrscheinlich die (durch negative Erfahrungen konditionierte) Entwicklung einer periphere Retinaabschnitte nutzenden alternativen Lesestrategie als Folge rezidivierender frustraner bifovealer Fixationsversuche (Schuhmacher 1985; Kaul 1987; Geiger u. Lettvin 1987).