Teilhabe an Gesundheit von Menschen mit Beeinträchtigung während der Corona-Pandemie (TaG-Co-Studie) : Ergebnisbericht

2021 
Hintergrund und Zielsetzung: Die derzeitige Corona-Pandemie bringt seit dem Fruhjahr 2020 viele Veranderungen fur Menschen weltweit mit sich. Menschen mit Beeintrachtigung, die in Einrichtungen der Eingliederungshilfe leben und arbeiten, weisen haufig ein erhohtes Risiko fur einen schwereren Krankheitsverlauf bei der Infektion mit Covid-19 auf und sind in besonderem Mas von den Vorgaben und Einschrankungen wahrend der Corona-Pandemie betroffen. Auch das Fachpersonal in Einrichtungen der Eingliederungshilfe steht seit Beginn der Pandemie vor Herausforderungen. Die mit der Corona-Pandemie einhergehenden Masnahmen zur Eindammung der Pandemie haben Auswirkungen auf die Teilhabe an Gesundheit von Menschen mit Beeintrachtigung. Ziel der TaG-Co-Studie ist es, die Teilhabe an Gesundheit von Menschen mit Beeintrachtigung wahrend der Corona-Pandemie zu untersuchen. Dabei stehen neben den Vorgaben zur Expositionsprophylaxe auch der Umgang mit Gesundheitsinformationen, der Zugang und die Inanspruchnahme des Gesundheitswesens, Praventions- und Gesundheitsangebote, das Ernahrungsverhalten und der Substanzmittelkonsum sowie die Gestaltung von Kontakten zu Angehorigen und Bezugspersonen wahrend der Pandemie im Zentrum der Studie. Daruber hinaus wird die Rolle der Fachverbande und Einrichtungen fur Menschen mit Behinderung wahrende der Corona-Pandemie bei der Teilhabe an Gesundheit von Menschen mit Beeintrachtigung untersucht. Methodik: Im Rahmen einer qualitativen Primarerhebung wurden bundesweit (auser Berlin, Bremen, Hamburg und Saarland) leitfadengestutzte Telefoninterviews mit n=12 Leitungs- und Fachpersonen von Einrichtungen fur Menschen mit Behinderung im Bereich Wohnen sowie n=4 Vertreter*innen von Bundes- und Fachverbanden fur Menschen mit Beeintrachtigung von November bis Dezember 2020 gefuhrt. Die Interviews wurden mittels der qualitativen Inhaltsanalyse nach Kuckartz ausgewertet. Ergebnisse: Verordnungen zur Expositionsprophylaxe und Kontaktbeschrankung wurden in den Einrichtungen meist gut umgesetzt; eine permanente Einhaltung der Hygienekonzepte stellte fur das Fachpersonal aufgrund der schweren Vereinbarkeit mit den Ablaufen der Pflege allerdings eine grose Herausforderung dar. In vielen Einrichtungen wurden Gesundheitsinformationen in Bezug auf die Corona-Pandemie in „Krisenteams“ besprochen und in Leichter Sprache zur Verfugung gestellt. Die meisten Vorsorgeuntersuchungen und Gesundheitsangebote wurden wahrend der Corona-Pandemie nicht durchgefuhrt. Die Einrichtungen berichteten von positiven Veranderungen im Ernahrungsverhalten bei den Bewohner*innen aufgrund der Besuchs- und Kontaktbeschrankungen. Es konnten keine Veranderungen des Alkohol- oder Tabakkonsums im stationaren Bereich bepbachtet werden. Dagegen zeigte sich im ambulant betreuten Wohnbereich eine Zunahme des Alkohol- und Medikamentenkonsums, insbesondere bei Klient*innen mit psychischen Beeintrachtigungen. Zur Gewahrleistung der sozialen Teilhabe ermoglichten die Einrichtungen Alternativen, bspw. Gesprache am offenen Fenster oder digitale Formate (z. B. Skype). Einschrankungen wie die Schliesungen der Werkstatten, fuhrten bei einigen Bewohner*innen zu Anderungen des Verhaltens, wie sozialer Ruckzug oder unruhiges und aggressives Verhalten. Auf Ebene der Fachverbande wurden neue Formate (bspw. Newsletter oder Fachforen) zur Weiterleitung von Informationen wahrend der Corona-Pandemie geschaffen. Als problematisch thematisierten die Fachverbande, dass die technische Ausstattung der Einrichtungen vielfach nicht ausreichend sei und digitale Angebote nicht genutzt werden konnen. Wahrend der Pandemie steht der Infektionsschutz der Menschen mit Beeintrachtigung neben dem Austausch mit Bundes- und Landesbehorden im Vordergrund der Arbeit der Fachverbande, in dem u. a. Konzepte zur Reduzierung des Ansteckungsrisikos entwickelt werden. Schlussfolgerungen: Auch wenn die Einrichtungen der Eingliederungshilfe die Herausforderungen durch die Corona-Pandemie auf vielfaltige Weise bewaltigen, besteht groser Bedarf um die Einrichtungen von Seiten der Fachverbande und der Politik zu unterstutzen. Einrichtungsleitungen und Fachpersonal in Einrichtungen fur Menschen mit Beeintrachtigung benotigen Konzepte, die aus der Praxiserfahrung heraus entwickelt werden, um die Klient*innen vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu schutzen. Daruber hinaus durfen die sozialen Aspekte der Teilhabe und die individuellen Besonderheiten der Menschen mit Beeintrachtigung nicht vernachlassigt werden. Nur so kann auch wahrend der Corona-Pandemie die Teilhabe an Gesundheit von Menschen mit Beeintrachtigung gewahrleistet werden.
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