Untersuchung der Einsatzbereiche regelbasierter und modellbasierter Verkehrssteuerungen

2017 
Mit dem Wirtschaftswachstum nimmt die Verkehrsnachfrage in vielen grosen Stadten, besonders in asiatischen Landern stetig zu. In diesen Stadten sind zahlreiche Knotenpunkte wahrend der Spitzenstunde sehr stark belastet oder uberlastet. Weiterhin ist die Umweltauswirkung von Verkehr immer kritischer geworden. Um die Steuerungsqualitat zu erhohen und die Kapazitat der Verkehrsanlagen auszunutzen, ist der Einsatz von verkehrsabhangigen Steuerungsverfahren notwendig. Die vorliegende Master-Arbeit befasst sich daher mit den Einsatzbereichen von regelbasierten und modellbasierten Steuerungsverfahren. Die Verkehrssteuerungsverfahren sind nach RiLSA [2015] auf der makroskopischen und der mikroskopischen Ebene zu differenzieren. Auf der makroskopischen Ebene werden langfristige Belastungsanderungen in Netzen oder an Knotenpunkten berucksichtigt, wahrend die Steuerungs-verfahren auf der mikroskopischen Ebene auf die kurzfristige Veranderung des Verkehrszustands an Knotenpunkten reagieren konnen. Nach der Aktivierungsart konnen noch zeitplanabhangige Steuerungsverfahren (Signalprogrammauswahl) und verkehrsabhangige Verfahren unterschieden werden. Verkehrsabhangige Steuerungsverfahren konnen an den Knotenpunkten entweder regelbasiert oder modellbasiert umgesetzt werden. Eine regelbasierte Steuerung basiert direkt auf den Messdaten von Verkehrsflussen. Bei dem Entscheidungsprozess sind logische, zeitliche und Zustandsbedingungen zu berucksichtigen. Ein Ablaufdiagramm wird meistens sekundlich fur die Steuerung durchlaufen. Im Gegensatz zu regelbasierten Steuerungen verwenden modellbasierte Steuerungen in einem Modell verarbeitete Daten. Abbildung des Verkehrszustands, Durchsuchung der Steuerungsalternativen und Berechnung der Steuerungswirkung werden anhand der entsprechenden Modelle durchgefuhrt. Die optimale Losung wird mit Hilfe einer Zielfunktion, in die verschiedene Kenngrosen einfliesen konnen, bestimmt. Eine regelbasierte Steuerung wird in der Regel individuell vom Verkehrsingenieur fur das Einsatzgebiet entworfen. Die Qualitat der Steuerung ist abhangig von dem planenden Ingenieur. Im Laufe der Zeit wurden standardisierte Steuerungsverfahren wie VS-PLUS oder verkehrstechnische Arbeitsplatze und Sprachen wie TRENDS/TRELAN zur Erstellung von regelbasierten Steuerungen entwickelt, mit deren Hilfe die Arbeitsprozesse standardisiert und vereinfacht werden Zugleich wurden auch zahlreiche modellbasierte Steuerungsverfahren entwickelt. Nach dem Steuerungsgebiet ist zwischen modellbasierten Knotenpunktsteuerungsverfahren (z.B. OPAC, EPICS etc.) und Netzsteuerungsverfahren (SCOOT, UTOPIA, BALANCE etc.) zu unterscheiden. Das Steuerungssystem kann zentral oder dezentral aufgebaut werden. Die Erfassung der Verkehrsflussdaten kann je nach Bedurfnis der jeweiligen Verfahren durch Detektoren an der Haltlinie, kurz vor der Haltlinie oder stromaufwarts erfolgen. In der Zielfunktion sind normalerweise verkehrliche Kenngrosen wie die mittlere Wartezeit, Anzahl der Halte und ggf. auch die mittlere Staulange einzuberechnen. Zu den Steuerungsvariablen gehoren Freigabezeit, Phasenfolge, Umlaufzeit sowie Versatzzeit. Die Optimierung von Netzsteuerungen wie SCOOT und BALANCE wird typischerweise in Intervallen von 5 Minuten durchgefuhrt, die von Knotenpunktsteuerungen wie EPICS oder LA ATCS dagegen sekundlich. Zur Erstellung der Einsatzkriterien beider verkehrsabhangiger Steuerungen wurden in Anlehnung an vorherige Forschungen die folgenden Merkmale zusammengefasst: Verkehrsnachfrage: - Verkehrsbelastung (schwach bis mittel, stark, uberlastet) - Verkehrsschwankung (tageszeitabhangig, raumlich, situationsabhangig) Netzstruktur: Linienzug, sich kreuzende Linienzuge oder Netz mit Vermaschung Knotenpunktgrose: klein, mittelgros, gros Knotenpunktform: Einmundung, Kreuzung, Kreisverkehr, aufgeweitete Kreuzung Fahrstreifenaufteilung: mit Linksabbiegerfahrstreifen, mit OPNV-Fahrstreifen Ziele der Steuerung: - Reduzierung der Umweltwirkungen - Situationsabhangige Optimierung spezifischer Kenngrosen - Zuflussdosierung durch Pfortneranlagen - OV-Priorisierung Anschliesend wurden beide verkehrsabhangige Steuerungen in der mikroskopischen Simulation (VISSIM) modelliert. Das Simulationsmodell basiert auf einem realistischen Verkehrsnetz in Neu-Delhi (Indien). Um die vorliegenden Merkmale zu untersuchen, wurden mehrere Szenarien aufgrund des Basismodells entworfen. Aus technischen Grunden wurden bei den Simulationen nur lokale Steuerungen eingesetzt. Regelbasierte Steuerungen wurden moglichst einfach und praxisrelevant erstellt, wahrend modellbasierte Steuerungen durch PTV EPICS reprasentiert sind. Gegenuber dem homogenen Verkehr in Deutschland, der hauptsachlich aus Pkw besteht, ist der indische Verkehr sehr heterogen. Statt sie nach deutschen Regelwerken wie HBS und RiLSA zu berechnen wurden deshalb die meisten Steuerungsvariablen mit Hilfe der Simulation festgelegt. Zur Auswertung der Steuerungsqualitat wurden nach dem Vorschlag aus HBS [2015] die mittlere Verlustzeit, Anzahl der Halte, mittlere Staulange und eventuell maximale Staulange als verkehrliche Kenngrosen benutzt. Die Umweltwirkung wie Emissionen wurde mit Hilfe des Softwareprogramms EnViVer ermittelt. Von den Simulationsergebnissen sind folgende Schlussfolgerungen zu ziehen. Im Vergleich zu homogenem Verkehr stellt der heterogene Verkehr grosere Herausforderungen an die modellbasierten Steuerungen. Die Verkehrsdaten sind fur verkehrsabhangige Steuerungen in diesem Fall am besten zufahrtbezogen zu erfassen. Modellbasierte Verkehrssteuerungen konnen mehrere Kenngrosen gleichzeitig berucksichtigen. Bei OV-Priorisierung wirkt sich die lokale modellbasierte Steuerung weniger negativ auf den individuellen Verkehr aus. Gegenuber regelbasierten Steuerungen konnen lokale modellbasierte Steuerungen situationsabhangige Verkehrsschwankungen besser bewaltigen. Die lokale regelbasierte Steuerung zeigt gewisse Vorteile bei dem Einsatz an Einmundungen von einer Nebenstrase zur Hauptstrase. Das Potential zur Reduzierung von Schadstoffemissionen ist bei lokalen verkehrsabhangigen Steuerungen sehr begrenzt. Bei Uberlastung des Knotenpunkts aus mehreren Zufahrten kann mit lokalen verkehrsabhangigen Steuerungen keine grose Verbesserung erreicht werden. In folgenden Studien ist der Einsatz von lokalen verkehrsabhangigen Steuerungsverfahren bei anderen Knotenpunktformen (Kreisverkehr, aufgeweitete Kreuzung) und Knotenpunkten mit unterschiedlichen Fahrstreifenaufteilungen (OV-Fahrstreifen, Linksabbiegerfahrstreifen) zu untersuchen. Weiterhin sind bei der Auswahl der Steuerungsverfahren der Fusganger- und Radverkehr einzubeziehen. Daruber hinaus sind die Kombinationen von Netzsteuerungsverfahren mit Knotenpunktsteuerungsverfahren bei unterschiedlichen Situationen zu untersuchen.
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