Kép és képnélküliség a Kárpát-medencében a 6–10. században

2013 
The study analyses a peculiar feature of the archaeological material known from the 6th-10th-century Carpathian Basin, i.e. the mostly aniconic nature of the visual arts during the Avar and Hungarian Conquest periods. The author attempts to explain the generally rare appearance of human depictions and anthropomorphic ornaments. Thus he seeks to investigate the main reasons for employing visual ornaments and proposes some probable reasons that may lie in the background of the increase of human depictions in the Late Avar period. | A tanulmany roviden vizsgalja a Karpat-medence 6–10. szazadi (avar kori es 10. szazadi) leletanyaganak egyik sajatos jellegzetesseget: az egykori diszitőműveszetek nagyreszt kep nelkuli (anikonikus) voltat, es igyekszik magyarazatot keresni az emberalakok korszakonkent valtozo gyakorisagu, osszessegeben megis feltűnően ritka megjelenesere. Attekinti az ornamentika alkalmazasanak altalanos okait, valamint kiter a keső avar kori kepi abrazolasok megszaporodasa mogott meghuzodo lehetseges okokra. | Vorliegende Studie unternimmt den Versuch, eine Eigenart der Verzierungskunst im fruhmittelalterlichen Karpatenbecken, namlich das erhebliche Ubergewicht der pflanzlichen und geometrischen Zierelemente bzw. die in den verschiedenen Epochen in unterschiedlichem Mase nachweislich untergeordnete oder sogar marginale Rolle der Menschen- und Tierdarstellungen, zu untersuchen. Das in den europaischen Sprachen in verschiedenen Formen verbreitete Wort „Ikon” stammt vom griechischen eikōn (eίκών) ‘Bild’; aber neben diesen allgemeinen Bedeutungsgehalt trat bereits in der christlichen Spatantike ein Weiterer: das im Kultkontext auftauchende, also das Bild als Heiligenbild. Diese Doppelheit manifestierte sich auch im Wortgebrauch der modernen Wissenschaft: Von Ikonen spricht man auch heute vor allem im Rahmen des Diskurses uber das christliche Kultbild, andererseits zeigen das Attribut ikonisch oder die Begriffe Ikonografie und Ikonologie klar, dass das Wort auch in viel allgemeinerem Sinne gebraucht wird und in jeder Abhandlung uber das Bild, das Abbild, d. h. jede Schopfung mit dem Anspruch auf figurale Reprasentation/Darstellung, verwendet wird. In diesem Sinne konnen anikonisch jene Werke bzw. Gruppen von Werken (und somit die ausschlieslich oder fast ausschlieslich derartiges schaffenden Kunste) genannt werden, bei denen die ikonische, d. h. die figurale, Darstellung mit einem uber die Kunst hinausweisenden Referenzpunkt fehlt oder eine auserordentlich untergeordnete Rolle erhalt.Auf die aus dem archaologischen Fundmaterial der Awaren- und der ungarischen Landnahmezeit im Karpatenbecken bekannt gewordene Sachkultur scheint die oben skizzenhaft umrissene Definition — wenn auch mit mehreren Einschrankungen — zuzutreffen. Diese Tendenz wird fur den Forscher im Fundmaterial des 10. Jahrhunderts besonders anschaulich, da aus dieser Epoche — die offensichtlichen Importfundstucke fremder Herkunft (z. B. die verschiedenen Brustkreuze oder byzantinischen Munzen) nicht mitgerechnet — insgesamt nur drei mit Sicherheit als Trager einer Menschengestalt identifizierbare Gegenstande bekannt sind. Demgegenuber haben im Karpatenbecken im 6.–10. Jahrhundert die einstigen Handwerker die grose Mehrheit der Gegenstandsensembles mit geometrischen, floralgeometrischen und pflanzlichen Motiven geschmuckt. Das Auftauchen von Menschengestalten bei den Motiven der fruhawarenzeitlichen Verzierungskunst gilt auch nicht als besonders bedeutsam, und sie kennen wir haufig von Gegenstanden, die mit der germanischen Welt oder dem spatantiken Mediterraneum in Beziehung zu bringen sind bzw. ihren Einfluss zeigen. In spatawarischer Zeit hat sich die Zahl der Menschendarstellungen zwar etwas erhoht, aber kann auch dann nicht als allgemein gelten. Dennoch weist die bildliche Welt der Gurtelzier von Kiskundorozsma bzw. der Kruge Nr. 2 und 7 im Schatz von Nagyszentmiklos darauf hin, dass wir Zeugen kraftvoller Veranderungen in spatawarischer Zeit sein konnen. Erstere, die aller Gewissheit nach als byzantinisches Geschenk ins Karpatenbecken kam, hob auch den triumphierenden basileios in das Argumentationssystem des Diskurses uber das awarisch-byzantinische Verhaltnis — und zwar soweit dies blos in Kenntnis der Ideologie der byzantinischen Diplomatie bzw. des Sachmaterials festgestellt werden kann, bedeutete diese visuelle Stellungnahme in den Augen der Byzantiner den Ausdruck des Unterworfenenstatus der Awaren. Anders war sicherlich die Interpretation der das Geschenk annehmenden awarischen Vornehmen bzw. der awarischen Elite. Ein Hinweis darauf mag sein, dass der Bildtyp des siegreichen Kaisers in der Spatawarenzeit Aufnahme in das Repertoire der figuralen Ornamentik der gegossenen Gurtelbeschlage fand. In diesen Fallen ist das Kaiserabbild aller Wahrscheinlichkeit nach nicht als Trager der Bedeutung auf dem Beschlag von Kiskundorozsma zu interpretieren, sondern als Schmuckelement, das aus dem Formenschatz der von der awarischen Elite gepflegten Sachkultur in den Kreis des „Gemeinvolkes” „hinabgesickert” war und dessen Hauptfunktion gewesen sein mag, die Beziehungen des Tragers zur Elite hin zu zeigen.Ebenfalls besonderes Interesse verdienen die figuralen Darstellungen auf den Gefasen des Schatzes von Nagyszentmiklos, vor allem die Medaillons auf dem Krug Nr. 2. Drei der dortigen Medaillons sind im Mediterraneum und in der iranischen Welt gleichermasen wohl bekannt, der Goldschmied hat als Ausdruck der Herrschermacht verwendete Bildtypen wiedergegeben: den jagenden Fursten, den siegreichen Herrscher und eine dynamische Tierkampfszene. Die individuell gestalteten Gesichter gaben jedoch dem die oben erwahnten visualen Topoi verwendenden, sorgsam geplanten Programm eine den lokalen Verhaltnissen des Karpatenbeckens entsprechende Interpretation: Die turaniden Charakterzuge des Kopfes des siegreichen Herrschers und des „Pferdes” des jagenden Fursten, die slawischen des Kopfes des besiegten Feindes in der Hand des siegreichen Fursten sowie die germanischen des Kopfes am Sattelknopf vom Reitpferd des Fursten bieten dem Betrachter mit aller Gewissheit die Auffassung der spatawarischen Elite von sich selbst bzw. von der sie umgebenden Welt mit ihren Volkern.Solche Verwendung echter Bilder beleuchtet auch ein Charakteristikum, das die spatawarische Kultur sowohl von der fruhawarischen als auch der des 10. Jahrhunderts unterscheidet. Wahrend namlich in der fruheren und der spateren Periode sowohl die fruhawarenzeitlichen Volker im Karpatenbecken als auch die der ungarischen Landnahmezeit vor allem die Formtrager der Herrschaftssymbole mediterraner Herkunft (edle Textilien fremder Herkunft, Gurtel usw.) verwendeten und entsprechend ihrer eigenen gesellschaftlichen Anspruche uminterpretierten (Adoption), erscheint in spatawarischer Zeit auch die verstandige Verwendung der Bildtypen mediterraner Herkunft (Phanomen der Adoptation). Wie bei der Untersuchung der Bilder auf dem Krug Nr. 2 von Nagyszentmiklos gezeigt werden konnte, war die Elite in spatawarischer Zeit offensichtlich fahig geworden, die Bildtypen fremder Herkunft zu verstehen und verfeinert zu verwenden, ihr Selbstbild mit Hilfe dieser bildhaften Welt zum Ausdruck zu bringen.Auf den meisten Gegenstanden aus der Awarenzeit und dem 10. Jahrhundert findet sich jedoch keine Spur der Verwendung dieser Bildersprache. Sowohl in den Jahrhunderten der Awarenzeit als auch in der ungarischen Landnahmezeit schufen die Handwerker vor allem Gegenstande mit geometrischer und pflanzlicher Ornamentik (zumindest werden uberwiegend diese bei archaologischen Ausgrabungen gefunden). Der andere, langere Teil der Studie uberblickt deshalb einige Fragen des Gebrauchs der nonfigurativen Ornamentik. Die primare Funktion der Ornamentik bzw. der einzelnen pflanzlichen und geometrischen Ornamente wertet der Autor — ebenso wie A. Riegl, E. Gombrich, O. Grabar und andere — vor allem als Auserung der Verzierungsabsicht. In diesem Sinne sind die Hauptaufgaben des Ornaments das Aufbrechen der Monotonie der ebenen Flachen (d. h. ihre Ausfullung); dem Tragergegenstand Qualitat zu verleihen; ihn zu verschonern und damit dem Betrachter Freude zu bereiten; aber es kann auch die Umrahmungsund Verbindungsfunktion erfullen. Andererseits sind seine unmittelbare Kommunikationsfunktion und damit seine Deutung sehr bestreitbar.Im Falle der bildlosen oder grosenteils bildlosen Kunste kann deshalb vor allem von Verzierungsabsicht gesprochen werden, und so konnen die anikonischen Kunste mit Recht zu den Zierkunsten gezahlt werden. Das bezeugen im Rahmen der Studie sehr skizzenhaft auch die uberblickten antiken und fruhmittelalterlichen anikonischen Kunste. Der Argumentation des Autors gemas kann der kurze Uberblick der Argumente der sich der Kultbilder enthaltenden judischen und muslimischen sowie der allbekannte Diskussionen uber die Rolle der Kultbilder fuhrenden christlichen Kunste den Leser davon uberzeugen, dass in allen drei Fallen in erster Linie von religiosem Anachronismus gesprochen werden kann, der jedoch nur selten uber den Rahmen der religiosen Kunste hinausging und Einfluss auf die profanen Kunste ausubte. Da aber im Karpatenbecken in der untersuchten Periode vor allem von Werken gesprochen werden kann, die aus profaner Umgebung stammen, weist nichts darauf hin, das der zuruckhaltende Standpunkt der (Kult-)Bilder etwa der muslimischen oder auch der christlichen Welt unmittelbaren Einfluss auf die Volker des Karpatenbeckens ausgeubt hatten (wie mehrere annahmen). Demgegenuber kann vielleicht insofern an mittelbare Einflusse gedacht werden, als infolge der Bezeichnung des Ortes der echten Bilder im Kultrahmen sowohl in der mediterranen Welt als auch in der westlichen christlichen Kultur auf den Elementen der Alltagstracht die Anwendung bildloser Zierformen (d. h. pflanzliche und geometrische Ornamente) noch mehr in den Vordergrund geruckt sind.
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