Vom Hoffnungsträger zum Problemfall: Lateinamerika verliert den Anschluss – was sind die Ursachen?

2019 
Lateinamerikas Wirtschaft stagniert. Die politische Unsicherheit in den wichtigsten Okonomien, der schwachere Welthandel und die Handelsstreitigkeiten drucken die Wachstumsprognosen. Die Lander verlieren weiter den Anschluss im weltweiten Vergleich. Entwickelt sich Sudamerika vom Hoffnungstrager zum Risikofaktor fur die Weltwirtschaft? Carsten Hefeker, Universitat Siegen, sieht Sudamerika in einer tiefen demokratischen und wirtschaftlichen Krise. Die Ursachen seien in jedem Land etwas anders gelagert, aber es zeigten sich auch Gemeinsamkeiten. Neben dem massiven Verfall der Rohstoff- und Agrarproduktpreise seien die Grunde in vielen Landern in einem Hang zu populistischer Wirtschaftspolitik einerseits und unterlassenen Reformen andererseits zu sehen, die die Stabilitat untergraben und zu politischen und okonomischen Krisen fuhren. Nach Ansicht von Tobias Boos und Ulrich Brand, Universitat Wien, verliert Lateinamerika erneut den Anschluss. In der ersten Dekade der 2000er Jahre hatte es danach ausgesehen, als habe die Region einen dauerhaften Wachstumspfad eingeschlagen. Aber die Regierungen konnten sich nicht aus dem Teufelskreis der Ressourcenabhangigkeit befreien. Und nach dem Ende des Ressourcenbooms wurde ein neuer Zyklus der Auslandsverschuldung in Gang gesetzt. Martin T. Braml, ifo Institut, zeigt auf, dass gerade die grosen lateinamerikanischen Lander Argentinien, Bra­silien und Mexiko in den vergangenen drei Dekaden nicht im relativen Entwicklungsstand aufholen konnten. Hingegen sei ein wirtschaftlicher Konvergenzprozess fur Chile und Uruguay, die eine starke Integration im Welthandel suchten, zu erkennen. Dies scheine Argentinien und Brasilien, den tonangebenden Staaten innerhalb des MERCOSUR, nur langsam zu gelingen. Auch deshalb biete der Abschluss des EU-MERCOSUR-Freihandelsabkommens eine einmalige Chance fur die lateinamerikanischen Lander. Barbara Fritz, FU Berlin, stellt fest, dass bis vor einigen Jahren Sudamerika die einzige Region war, der es gelang, Wachstum mit Umverteilung zu verbinden. Davon sei heute wenig ubriggeblieben. Seit Jahren stagniere das Wachstum, die Verteilung habe sich in Landern wie Brasilien sogar wieder verschlechtert. Mit ein Grund fur diese Entwicklung sei die Verschlechterung der globalen Rahmenbedingungen seit dem Ende des »sogenannten Superbooms der Rohstoffpreise«. Zudem sei die Region massiv von den grosen Handelskonflikten betroffen. Die globale Staatengemeinschaft, ebenso wie die EU, sollten hier unterstutzen. Nach Ansicht von Ingrid Wehr, Heinrich-Boll-Stiftung, Santiago de Chile, sind die hohe Abhangigkeit lateinamerikanischer Volkswirtschaften von Rohstoffexporten und die wachsende Reprimarisierung des Exports ein massives Problem der Lander, die somit eher Rentenokonomien als Marktwirtschaften seien. Angelica Dominguez-Cardoza und Christoph Trebesch, Institut fur Weltwirtschaft, Kiel, sehen Argentinien erneut vor einem hohen Schuldenschnitt stehen. Dieser sei nur eine Frage der Zeit. Ubermasige Staatsausgaben und eine exzessive Verschuldung in Fremdwahrungen hatten die Krise herbeigefuhrt, gekoppelt mit hoher Inflation und einer schwachen Wahrung.
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