Arzthaftung im Licht des Patientenrechtegesetzes

2014 
Spielte es in der forensischen Praxis zunachst eine eher untergeordnete Rolle, ruckte das Arzthaftungsrecht ab etwa der 1970er-Jahre zunehmend in den juristischen Fokus, nicht zuletzt gefordert durch ein wachsendes Interesse in der Offentlichkeit. Die mediale Prasenz vermeintlichen oder tatsachlichen „Arztepfuschs“ ist bis heute ungebrochen und war fur den Gesetzgeber jungst Anlass, ungeachtet kritischer Stimmen aus der Fachwelt, den „Behandlungsvertrag“ als einzigen Typus des Dienstvertrags eigenstandig im Burgerlichen Gesetzbuch (BGB) zu regeln. Die §§ 630a–h BGB n. F. bilden das Kernstuck des am 26. Februar 2013 in Kraft getretenen Patientenrechtegesetzes. Bedauerlicherweise hatte man sich im Vorfeld wenig bis gar nicht mit Alternativmodellen zur blosen Verschuldenshaftung befasst, man denke etwa an die verschuldensunabhangigen Kompensationssysteme skandinavischer Lander. Die in den vergangenen Jahren in der Rechtswissenschaft intensiv gefuhrte Diskussion zum erforderlichen Beweismas bei biologischen Kausalverlaufen blieb ebenso ausgespart wie die Frage, ob nicht das franzosische Modell des „Verlusts einer Heilungschance“ (frz. „perte d’une chance“) eine interessante Variante zum haftungsrechtlichen „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ liefern konnte. Stattdessen beschrankte man sich im Wesentlichen darauf, die uber Jahrzehnte durch die Zivilgerichte, insbesondere den fur das Arzthaftungsrecht zustandigen VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH), entwickelten Grundsatze unter Einbeziehung von sonstigen „Dienstleistern“ im Gesundheitswesen auf den Behandlungsvertrag zu ubertragen, angereichert allerdings mit einigen zusatzlichen Detailregelungen, welche die Rechtsanwender sicherlich in den kommenden Jahren noch beschaftigen werden. Traditionell umfasst die Haftpflicht des Arztes beide Haftungstypen des Zivilrechts, namlich die Haftung aus Vertrag einerseits sowie die Haftung aus Delikt beziehungsweise – in der Terminologie des BGB – der „Unerlaubten Handlung“ andererseits. Mit den Schuldrechtsreformen zu Beginn dieses Jahrtausends wurden die fruher bestehenden Unterschiede im Haftungsumfang sowie in den Verjahrungsregeln beseitigt, sodass vertragliche wie auch deliktische Haftung in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen mittlerweile weitestgehend deckungsgleich sind. Hieran hat sich auch durch das Patientenrechtegesetz nichts Grundlegendes geandert, obschon die Beschrankung der gesetzlichen Regelungen auf den Behandlungsvertrag unterschiedliche Akzente zwischen den beiden Haftungstypen zukunftig wieder eher erlaubt, da die deliktische Haftung des Arztes mangels spezieller normativer Grundlagen auch in Zukunft richterrechtlich gepragt sein wird.
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