Prävalenz und Determinanten für die Einhaltung der leitliniengerechten Therapie kardiovaskulärer Risikofaktoren in der Primär- und Sekundärprävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Deutschland

2019 
Die Einhaltung eines gesunden Lebensstils, einschlieslich der Behandlung modifizierbarer kardiovaskularer Risikofaktoren, beeinflusst masgeblich die Entstehung und Progression von Herz-Kreislauf-Erkrankungen (HKE). So reduziert eine ausgewogene Ernahrungsweise, ausreichend korperliche Aktivitat, Tabakverzicht, das Halten des Normalgewichtes sowie die Behandlung einer Hypertonie, Hyperlipidamie und Diabetes mellitus, die kardiovaskulare Morbiditat und Mortalitat. Die vorliegende Arbeit widmet sich (a) der Pravalenz und leitliniengerechten Kontrolle kardiovaskularer Risikofaktoren von Teilnehmern aus der Allgemeinbevolkerung der STAAB Kohortenstudie („Haufigkeit und Einflussfaktoren auf fruhe Stadien A und B der Herzinsuffizienz in der Bevolkerung“) sowie der Schatzung des 10-Jahres Risikos fur todliche HKE in diesem Kollektiv. Weiterhin wurde (b) der Einfluss von medikamentenbezogenen Uberzeugungen auf die Blutdruckkontrolle von Teilnehmern der STAAB Kohortenstudie untersucht. Schlieslich wurde (c) der Erhalt von arztlichen Lebensstilempfehlungen sowie deren Determinanten bei Teilnehmern der STAAB Kohortenstudie sowie der EUROASPIRE IV Studie („European Action on Secondary and Primary Prevention by Intervention to Reduce Events“) in Deutschland betrachtet. Die STAAB Kohortenstudie untersucht die fruhen asymptomatischen Formen der Herzinsuffizienz-Stadien A und B in einer reprasentativen Stichprobe von 5.000 Personen ohne symptomatische Herzinsuffizienz im Alter von 30 bis 79 Jahren aus der Allgemeinbevolkerung mit Wohnsitz in der Stadt Wurzburg. Die EUROASPIRE IV Studie untersuchte bei 7.998 Koronarpatienten im Alter von 18 bis 79 Jahren aus insgesamt 24 Europaischen Landern (536 Patienten aus Deutschland) im Zeitraum 2012 bis 2013 die Risikofaktoren sowie die Umsetzung der leitliniengerechten Versorgung und Pravention von HKE im europaischen Vergleich. Die Datenerhebung beider Studien erfolgte durch ein geschultes Studienpersonal nach standardisierten Vorgaben. Die Pravalenz und Kontrolle kardiovaskularer Risikofaktoren nach den aktuellen Vorgaben der „European Society of Cardiology“ (ESC) wurde bei insgesamt 1.379 Teilnehmern, die zwischen Dezember 2013 und April 2015 an der STAAB Kohortenstudie teilgenommen haben, untersucht. Es zeigte sich eine hohe Pravalenz der kardiovaskularen Risikofaktoren Hypertonie (31.8%), Hyperlipidamie (57.6%) und Diabetes mellitus (3.5%). Hierbei erreichten trotz Pharmakotherapie uber die Halfte der Teilnehmer mit einem Bluthochdruck (52.7%) oder erhohten LDL-Cholesterinwerten (56.7%) sowie 44.0% der Personen mit einem Diabetes mellitus die empfohlenen Grenzwerte nicht. Weiterhin wurde erstmalig zu Studienbesuch eine Hypertonie (36.0%), Hyperlipidamie (54.2%) oder ein Langzeitzuckerwert (HbA1c) >6.5% (23.3%) detektiert. In der jungsten Altersgruppe (30-39 Jahre) fand sich der hochste Anteil von unbekanntem Bluthochdruck (76.5%) sowie hohem LDL-Cholesterin (78.0%) und die Altersgruppe 60-69 Jahren wies mit 43.5% die hochste Pravalenz fur einen bislang nicht detektierten HbA1c >6.5% auf. Die Akkumulation von drei oder mehr kardiovaskularen Risikofaktoren war mit dem mannlichen Geschlecht, einem hoheren Alter und einem niedrigeren Bildungsgrad assoziiert. Von 980 mittels SCORE („Systematic Coronary Risk Evaluation“) Risiko-Chart untersuchten Teilnehmern befanden sich jeweils 56.6%, 35.8% und 7.5% in der niedrigen, mittleren und hohen bis sehr hohen SCORE-Risikogruppe fur todliche HKE. Das Hochrisiko-Kollektiv fur todliche HKE war vorwiegend mannlich und wies haufiger eine Hypertonie oder ein hohes LDL-Cholesterin auf. Der Einfluss von Uberzeugungen gegenuber antihypertensiver Medikation auf die Blutdruckkontrolle wurde an 293 Teilnehmern, die von Oktober 2014 bis Marz 2017 an der STAAB Kohortenstudie teilgenommen haben, untersucht. Auf ihre Medikamente gesundheitlich angewiesen zu sein gaben 87% der Teilnehmer an, 78.1% stimmten der Aussage zu, dass ihre Medikamente sie vor einer Verschlechterung ihrer Gesundheit schutzen. Es zeigte sich ein inverser Zusammenhang zwischen einem hoheren Mas an Bedenken gegenuber der verordneten blutdrucksenkenden Medikation und einer besseren Blutdruckkontrolle bei Frauen. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen Bedenken gegenuber einer antihypertensiven Medikation und der Blutdruckkontrolle bei Mannern lies sich hingegen nicht feststellen. Es konnten keine statistisch signifikanten Assoziationen fur die Notwendigkeit von Medikation in der vorliegen Untersuchung gezeigt werden. Die Haufigkeit und Determinanten fur die Empfehlung eines arztlichen Lebensstils wurde bei 665 Teilnehmern der STAAB Kohortenstudie ohne vorbestehende HKE (Primarpravention) und bei 536 Koronarpatienten der EUROASPIRE IV Studie (Sekundarpravention) untersucht. Mit Ausnahme der Empfehlung zum Rauchverzicht erhielten die Patienten der EUROASPIRE IV Studie haufiger arztliche Lebensstilempfehlungen verglichen mit Teilnehmern der STAAB Kohortenstudie: (Rauchverzicht: STAAB 44.0%, EUROASPIRE 36.7%; Gewichtsreduktion: STAAB 43.9%, EUROASPIRE 69.2%; korperliche Aktivitat steigern: STAAB 52.1%, EUROASPIRE 71.4%; gesundes Ernahrungsverhalten: STAAB 43.9%, EUROASPIRE 73.1%). Die Chance fur den Erhalt von mindestens 50% aufgrund der individuellen Risikofaktoren adaquaten arztlichen Lebensstilempfehlungen war bei STAAB Teilnehmern mit offensichtlichen oder beobachtbaren kardiovaskularen Risikofaktoren signifikant erhoht (BMI >25kg/m2, Hypertonie, Hyperlipidamie und Diabetes mellitus). Hingegen erhielten Patienten mit einer vorbestehenden HKE signifikant haufiger eine arztliche Lebensstilempfehlung bei einem Diabetes mellitus, wobei die Empfehlungshaufigkeit mit zunehmendem Alter abnahm. Die weitergehende nicht publizierte Analyse des Interaktions Modells zeigte, dass der Zusammenhang zwischen dem Alter und der Empfehlungshaufigkeit bei Patienten mit bereits bestehender HKE starker ausgepragt war, als bei Teilnehmern der STAAB Kohortenstudie ohne koronare HKE. Weiterhin war der Zusammenhang zwischen einer adaquaten Lebensstilempfehlung und Hyperlipidamie bei Teilnehmern ohne koronares Ereignis signifikant starker ausgepragt, im Vergleich zu Patienten mit einer bereits bestehender HKE. Die Ergebnisse zeigten ein erhebliches Potenzial fur eine verbesserte Umsetzung leitliniengerechter Behandlung modifizierbarer kardiovaskularer Risikofaktoren in der Primar- und Sekundarpravention. Vor dem Hintergrund einer hohen Anzahl kardiovaskularer Risikofaktoren bei jungen Erwachsenen sollte die Bedeutung der Langzeitfolgen im Arzt Patienten-Gesprach hervorgehoben und bei der Erarbeitung von Praventionsstrategien, insbesondere fur junge Altersgruppen, Beachtung finden. Geschlechtsspezifische Determinanten hinsichtlich der Kontrolle kardiovaskularer Risikofaktoren sowie Befurchtungen gegenuber der Medikation sollten starker im Arzt-Patientengesprach berucksichtigt werden. Zur Starkung der Compliance des Patienten bei der Umsetzung eines gesunden Lebensstils, sollte der Arzt hinsichtlich der Bedeutung von Lebensstilintervention, aber auch im Umgang mit schwierigen Situationen, wie die Empfehlung einer Gewichtsreduktion, sensibilisiert und bei der richtigen Handhabung der Leitlinienempfehlung starker unterstutzt werden.
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