Neurophysiologische Verarbeitung alkoholbezogener Reize: Welche Besonderheiten treten bei Alkoholabhängigkeit auf und wie hängt die Neurophysiologie mit subjektivem Craving zusammen?

2016 
Einleitung: Neurowissenschaftliche Modelle postulieren, dass Subtanzabhangigkeit mit einem gesteigerten Ansprechen auf suchtbezogene Reize (Cue Reactivity) und einem heftigen Verlangen zu konsumieren (Craving) einhergeht. Gleichzeitig ist das Kontrollsystem, welches Craving und Konsum unterdruckt, geschwacht. Die vorliegende Studie untersucht die neurophysiologischen Korrelate von einerseits Cue Reactivity und andererseits geschwachter Kontrolle bei Alkoholabhangigkeit sowie den Zusammenhang zwischen diesen neurophysiologischen Prozessen und subjektiv erlebtem Craving. Methode: 15 entgiftete Patienten mit Alkoholabhangigkeit und 15 gesunde Kontrollpersonen gaben per Fragebogen Auskunft uber ihr subjektiv empfundenes Craving nach Alkohol und bearbeiteten eine Cue Reactivity- und eine Go-NoGo-Aufgabe – beide mit sowohl alkoholbezogenen als auch neutralen Bildern als Stimuli. Wahrenddessen zeichnete ein 70-Kanal-Elektroenzephalogramm (EEG) die Hirnaktivitat auf. Ereigniskorrelierte Potentiale (ERPs) wurden berechnet und mittels randomisierungsbasierten Testverfahren zwischen den beiden Personengruppen und den verschiedenen experimentellen Bedingungen verglichen sowie mit subjektiven Craving-Scores korreliert. Ergebnisse: In der Cue Reactivity-Aufgabe war bei Patienten die neurophysiologische Verarbeitung bereits auf Wahrnehmungsebene (P1-Komponente) reduziert. Wahrend bei Gesunden die P1 zwischen alkoholbezogenen und neutralen Reizen unterschied, fand die Differenzierung bei Patienten erst spater in der Reizverarbeitungskette statt. In der Gesamtstichprobe korrelierte die Starke der P1 negativ mit subjektivem Craving. In der Go-NoGo-Aufgabe zeigten sich bei der Unterdruckung einer Reaktion (NoGo) in den ERPs Korrelate von kognitivem Konflikt (NoGo-N2). Die Starke des NoGo-N2-Effekts korrelierte mit subjektiven Craving-Impulsen. Bei Personen mit starkerem Craving differenzierte die NoGo-N2 starker zwischen alkoholbezogenen und neutralen Reizen als bei Personen mit wenig Craving. Schlussfolgerung: Bei Patienten mit Alkoholabhangigkeit ist die neurophysiologische Reizverarbeitung auf hoch automatisierter Wahrnehmungsebene (P1) geschwacht. Neurophysiologische Defizite in der Wahrnehmung gehen mit gesteigertem Craving einher. Der kognitive Konflikt bei der Unterdruckung einer Reaktion auf alkoholbezogene Reize verbraucht bei Personen mit hohem Alkohol-Craving besonders viele neurophysiologische Ressourcen.
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