Überlegungen zur psychosomatischen Struktur- und Symptombildung

1988 
Psychosomatische Erkrankungen im engeren Sinne — z.B. eine Colitis ulcerosa, ein Asthma bronchiale oder ein Ulcus duodeni — galten im psychoanalytischen Verstandnis von Anfang an als Resultat eines intentionalen Verhaltens. Sie hatten im Bezugsrahmen der „psychischen Realitat“ (Freud 1917, S. 338) des erkrankenden Individuums einen Sinn, der dem von der Erkrankung Betroffenen verborgen war und welcher im psychoanalytischen Verfahren hermeneutisch, d.h. im Kontext der subjektiv erlebten Lebensgeschichte, eingeholt werden konnte. Bringt man die Sachlage auf eine kurze metapsychologische Formel, dann entstand die psychosomatische Erkrankung in Gefolge eines sinnvollen Misverstandnisses. Der Erkrankende verstand seine gegenwartigen Lebensumstande nicht mehr so, wie sie waren, sondern er misverstand sie aus Grunden, die in seiner Vergangenheit lagen. Dabei handelte es sich um fruhkindliche Konflikte, die eine gestorte Zwischenmenschlichkeit hervorgebracht hatte und die in der damaligen Lebenspraxis nicht mehr losbar gewesen waren. Deshalb blieben sie unbewust und wurden so von der weiteren Entwicklung abgekoppelt und nicht in ihr aufgehoben. Darin grundete auch die Virulenz der unbewusten Konflikte, an die nun eine aktuelle Situation appellierte. Sie aktualisierte unter Angstentwicklung das fruhere traumatisierende Erleben. Diese nicht aus der aktuellen Situation, sondern im wesentlichen aus der subjektiven Lebensgeschichte erwachsende Angst suchte der Erkrankende mit der Bildung eines Korpersymptoms erneut zu bewaltigen. Das Korpersymptom war somit Folge einer regressiven Reaktion auf eine ebenso regressive Einschatzung objektiver Lebensumstande (Schur 1955).
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