Molekulare Phylogenie der Flechtenfamilie Peltulaceae (Lichinales, Ascomycota)

2007 
Die Peltulaceae sind eine flechtenbildende Ascomycetenfamilie, die derzeit 43 morphologisch umschriebene Spezies in drei Gattungen umfasst. Systematisch gehoren sie in die Ordnung Lichinales (Lichinomycetes, Pezizomycotina), ihre genaue Stellung im System der Ascomyceten ist unbekannt. Die Familie lebt exklusiv mit Cyanobakterien in Symbiose und besiedelt weltweit aride und semi-aride Habitate. Die aktuell bekannte Verbreitung zeigt Ahnlichkeiten zu derjenigen xerophytischer Moospflanzen, fur die ein gondwanischer Ursprung angenommen wird. Auserdem besiedeln mehr Peltulaceen-Spezies die ehemaligen Gondwanakontinente (Afrika, Sudamerika, Australien, Indien) als die ubrigen, laurasischen Kontinente (Nordamerika, Europa, Asien); der Sorensen-Koeffizient fur die Florenahnlichkeit betragt 0,697. Die Hypothese, dass die Peltulaceae gondwanischen Ursprungs sind, sollte mit Hilfe einer phylogenetischen Analyse der Familie geklart werden, indem durch darauf aufbauende geographische Analysen das Ursprungsareal auf kontinentalem Niveau identifiziert wird. Mit Hilfe des morphologischen Merkmalskomplexes lies sich keine aufgeloste Phylogeniehypothese erstellen. Da die geographischen Analysen eine voll aufgeloste Phylogenie erfordern, wurden sechs molekulare Marker ausgewahlt (nucSSU, nucLSU, mtSSU, ITS, RPB2/7-11, β-Tubulin) und zunachst fur je einen Vertreter von 37 der 43 umschriebenen Morphotaxa sequenziert. Die resultierenden Stammbaume der ML- und Bayes'schen Analysen waren unterschiedlich gut aufgelost und untereinander dergestalt inkompatibel, dass unterschiedliche monophyletische Beziehungen unterstutzt wurden. Auserdem wies das β-Tubulin-Gen eine paraloge Kopie auf. Durch Kompatibilitatstests liesen sich keine Teilmengen kongruenter Daten feststellen. Die dennoch durchgefuhrte kombinierte Analyse aller sechs Marker war vom phylogenetischen Signal des RPB2/7-11-Gens dominiert und lies sich nicht durch geographische, morphologisch-anatomische oder okologische Merkmale bestatigen. Zwei verschiedene Methoden zur Detektion von Rekombination ergaben nicht-ubereinstimmende Signale nur in der nucLSU beziehungsweise in allen Markern auser der ITS. Von den Genen ITS und RPB2/7-11 wurden zusatzlich Sequenzen weiterer Peltulaceae-Individuen erzeugt und ML- und Bayes‘sche Analysen durchgefuhrt, in der die Vertreter von zwolf Morphospezies keine monophyletischen Einheiten bildeten. Die Suche nach phylogenetischen Spezies mittels der Konsensusmethode zeigte lediglich eine nicht-terminale Gruppierung unterschiedlicher Morphotaxa: die Vereinigung dreier durch eine peltate Wuchsform charakterisierte Spezies. Dieses Merkmal besitzen jedoch auch andere, in dieser Gruppierung nicht eingeschlossene Spezies. Die Monophylie der Peltulaceae wurde mit molekularen Daten bestatigt, die Stellung im System der Ascomyceten konnte jedoch nicht geklart werden. Die Existenz der Gattungen Neoheppia und Phyllopeltula konnte mittels molekularer Marker nicht bestatigt werden. Sie werden als taxonomische Konsequenz mit dem alteren Gattungsnamen Peltula synonymisiert, womit die Familie monogenerisch wird. Die vorhandenen Inkongruenzen zwischen den molekularen Markern deuten auf genetisch nicht isolierte Taxa hin. Die Peltulaceae werden nun als ein Spezieskomplex mit bisher ungeklarter Spezieszahl gedeutet. Die morphologische Speziesumschreibung bedarf einer Neubewertung, da sie sich grostenteils nicht mit molekularen Daten bestatigen lies. Die Klarung der Ausgangsfrage nach dem geographischen Ursprung der Peltulaceae muss die Uberarbeitung der Speziesabgrenzungen abwarten.
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