Integration von Bewegung und Training in den Alltag: Entwicklung und Evaluation eines neuen Trainingskonzepts für ältere Menschen
2018
Bereits ab dem 30. Lebensjahr reduziert sich die motorische Leistungsfahigkeit, wobei
vor allem die Gleichgewichtsfahigkeit und Kraft betroffen sind. Dieser Abbau beschleunigt
sich nochmals rapide ab der siebten Lebensdekade, was in reduzierter
Mobilitat, Krankheit, Pflegebedurftigkeit und letztlich auch fruhzeitigem Tod munden
kann. Um dies zu vermeiden, besteht zunehmender Bedarf an praventiven Masnahmen,
vor allem vor dem Hintergrund des Bedeutungszuwachses der alternden Gesellschaft.
Diese Masnahmen sollen ein moglichst langes, selbststandiges Leben und
gesundes Alter(n) ermoglichen. Bisher existieren keine Trainingskonzepte, welche
spezifisch fur die Pravention funktioneller Einschrankungen entwickelt wurden.
Daruber hinaus mangelt es vorhandenen Trainingsprogrammen an Nachhaltigkeit.
Gerade strukturierte Formate, gekennzeichnet durch standardisierte Ubungen mit
vorgegebener Wiederholungszahl und Intensitat (beispielsweise 4 Ubungen mit 12
Wiederholungen an 3 Tagen/Woche). Altere Menschen ziehen es vielmehr vor, Ubungen
in ihren Alltag integrieren zu konnen, was einerseits die Motivation steigert und
dadurch gleichzeitig die Nachhaltigkeit verbessert, andererseits eine kostengunstige,
zeitsparende und flexible Moglichkeit ist, zu jeder Zeit und an jedem Ort aktiv zu sein
(beispielsweise Einbeinstand beim Zahneputzen oder auf den Zehenspitzen den Flur
entlang zu gehen). Entsprechend ist die Entwicklung eines alltagsintegrierten Trainingsprogramms
eine Alternative, welche spezifisch in einer jungeren Zielgruppe (60-
70 Jahre) eingesetzt werden konnte, um sowohl praventiv funktionellen Einschrankungen
vorzubeugen als auch die Nachhaltigkeit und Effektivitat zu erhohen.
Um dies zu realisieren, bedarf es jedoch vorab der Entwicklung geeigneter Messinstrumente,
welche spezifisch fur die Erfassung der individuellen funktionellen Leistungsfahigkeit
einer jungeren, fitteren Zielgruppe geeignet sind. Einerseits konnen
dadurch gezielt Personen mit einem erhohten Risiko fur funktionelle Einschrankungen
identifiziert werden, andererseits sind solche Tests auch Voraussetzung fur eine korrekte
Evaluation des Trainingskonzepts, insbesondere mit Blick auf dessen Effektivitat.
Basierend auf diesen Uberlegungen befasst sich die vorliegenden Arbeit mit der
Entwicklung und Evaluation eines neuen alltagsintegrierten Trainingskonzepts fur
junge altere Menschen (60-70 Jahre) sowie der Identifikation und Evaluation geeigneter
Messinstrumente fur diese Zielgruppe.
Manuskript 1 ist eine systematische Ubersichtsarbeit der vorhandenen Tests zur Erfassung
der Kraft und/oder Gleichgewichtsfahigkeit in der Zielgruppe gesunder, junger
alterer Menschen (60-70 Jahre). Dabei zeigt sich, dass zahlreiche klinische Tests,
welche ohne aufwendiges Laborequipment durchgefuhrt werden konnen, existieren.
Jedoch fehlt es insbesondere an geeigneten Gleichgewichtstests, welche die Gleichgewichtsfahigkeit
gesunder, junger alterer Menschen adaquat abbilden.
Aufbauend auf dem ersten Manuskript wird in Manuskript 2 die Eignung einer anspruchsvollen
Skala zur Erfassung der Gleichgewichtsfahigkeit und Mobilitat, die
Community Balance & Mobility (CBM)-Skala, bei jungen alteren Menschen analysiert.
Die CBM erweist sich dabei als valides Messinstrument mit exzellenter Test-Retest-
Reliabilitat und zeigt, im Gegensatz zu anderen Tests, keine Deckeneffekte (das heist
die maximal mogliche Punktzahl wurde nicht erreicht). Entsprechend empfiehlt sich
die CBM-Skala zur Ermittlung von Gleichgewichts- und Mobilitatsdefiziten in dieser
Zielgruppe, insbesondere vor dem Hintergrund der fruhzeitigen Aufdeckung von funktionellen
Einschrankungen.
Manuskript 3 ist eine systematische Ubersichtsarbeit vorhandener Studien mit Fokus
auf alltagsintegrierte Trainingsprogramme. Im Ergebnis zeigt sich, dass das „Lifestyle-
integrated Functional Exercise“ (LiFE) Programm bislang das am besten evaluierte
Trainingsprogramm ist. Andere Studien kombinieren alltagsintegriertes und
strukturiertes Training, vorwiegend im institutionellen Bereich (beispielsweise Pflegeheime).
In Bezug auf die Nachhaltigkeit des Trainings erweisen sich beide Ansatze
als effektiver verglichen mit einem strukturierten Training. Trotz dieser vielversprechenden
Befunde fehlt es an umfassend angelegten Studien zur Durchfuhrbarkeit als
auch Effektivitat des alltagsintegrierten Trainings in verschiedenen Zielgruppen.
Basierend auf den Befunden aus Manuskript 3 wird in Manuskript 4 die Durchfuhrbarkeit
eines an junge altere Menschen angepassten LiFE (aLiFE)-Programms uberpruft.
Dabei zeigt sich, dass sowohl die Teilnehmenden als auch Trainer/innen aLiFE
positiv beurteilten. Die Teilnehmenden schatzten insbesondere den individuellen Ansatz,
den praventiven Fokus und die Unterstutzung seitens der Trainer/innen. Die
Trainer/innen betonten ebenfalls die Flexibilitat des Programms. Dennoch bemangelten
sowohl Teilnehmende als auch Trainer/innen die umfangreiche Papierarbeit.
Nichtsdestotrotz berichteten die Teilnehmenden von einer Verinnerlichung einzelner
Ubungen innerhalb des kurzen 4-wochigen Zeitraums, auch ohne kontinuierliche
Selbstkontrolle. Aufgrund dieser Befunde empfiehlt sich die Testung der Durchfuhrbarkeit
und Effektivitat von aLiFE im Rahmen einer randomisiert-kontrollierten Studie.
Insgesamt belegen die Studienergebnisse die Durchfuhrbarkeit und hohe Akzeptanz
des neu entwickelten aLiFE-Programms. Zudem erweist sich die CBM als geeignetes
Messinstrument zur Erfassung der Gleichgewichtsfahigkeit und Mobilitat bei jungen
Alteren. Weitere Forschung ist notwendig, um die Ergebnisse in groseren randomisiert-
kontrollierten Studien zu evaluieren sowie alternative Vermittlungsformen des
Programms zu testen.
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