Antikonvulsive Pharmakotherapie Jugendlicher und Erwachsener

2013 
Trotz der Einfuhrung und Verbesserung v. a. der Epilepsiechirurgie, aber auch anderer Therapiemoglichkeiten wie ketogener Diat oder Stimulationsverfahren, ist und bleibt die medikamentose Behandlung die Standardtherapie bei weitaus den meisten Epilepsiepatienten. Dabei hat sich durch die Generation neuerer Antikonvulsiva seit 1992 allerdings nicht wirklich nennenswert haufiger dauerhafte und verlassliche Anfallsfreiheit erreichen lassen, die das 1. Ziel einer Epilepsiebehandlung sein muss. Allerdings erlauben einige neue Antikonvulsiva aufgrund ihrer gunstigen pharmakologischen Charakteristika potenziell storwirkungsarmere Langzeitbehandlungen, die sie aufgrund des regelhaften Aspekts der chronischen Pharmakotherapie und im Hinblick auf Komorbiditaten, die es akut oder im Verlauf medikamentos zu adressieren gilt, vorteilhafter erscheinen lassen. So ist es in erster Linie also der Vertraglichkeitsvorteil, der in den aktuell neu aufgelegten Leitlinien der Deutschen Gesellschaft fur Neurologie (DGN) erneut Lamotrigin (LTG) und Levetiracetam (LEV) als erstrangig bei fokaler Epileptogenese benennen lasst. Je nach individueller Bedurfnislage konnen aber naturlich prinzipiell alle zugelassenen Antikonvulsiva auch fruhzeitig eingesetzt werden. Bei generalisierten Epilepsien des Erwachsenen bleibt Valproinsaure (VPA) das Medikament der 1. Wahl; in besonderen individuellen Sachlagen kann LTG der Vorzug gegeben werden. De facto schatzen viele Experten LEV trotz seines „Off-label“-Status und setzen es ein, obwohl es nur zur Kombination bei juveniler myoklonischer Epilepsie zugelassen ist. Denn die Monomedikation ist bei Ersttherapie und generell zu bevorzugen, da sie nach wie vor am praktikabelsten und hinsichtlich Wirksamkeit sowie Vertraglichkeit am besten zu beurteilen ist. Scheitert sie trotz richtiger Diagnose und Klassifikation, wird die alternative Monotherapie angestrebt. Hierbei sollte die Tatsache, dass gemas einigen Publikationen durchaus auch gut vertragliche Kombinationen zu zuvor nichterreichter Langzeitanfallsfreiheit fuhren, die unbedingte Notwendigkeit der Verwirklichung der Monotherapie etwas differenzierter betrachten lassen, als dies in den Leitlinien formuliert ist. Kombinationen sollten moglichst einfach und hinsichtlich des jeweiligen Einflusses der Kombinationspartner beurteilbar sein. Hohe Wirksamkeit, Interaktionsarmut und gute Vertraglichkeit haben LEV klar zur fuhrenden Substanz werden lassen, abgesehen von der supraadditiven Kombination aus VPA und LTG. Ob die zuletzt eingefuhrten neuen Antiepileptika Lacosamid (LCM), Retigabin (RTG) und Perampanel zu einer rationaleren, mechanismusorientierten Polytherapie zum Nutzen des Patienten fuhren, muss gepruft und zunachst abgewartet werden. Bis dahin sind bei vergleichbarer Wirksamkeit Interaktionsprofil und Vertraglichkeit die wichtigsten Kriterien bei der Auswahl von in Polytherapie eingesetzten Antikonvulsiva. Bei generalisierten Epilepsien einschlieslich der im Adoleszentenalter manifest werdenden juvenilen myoklonischen Epilepsie ist uber alle Patienten gesehen nach wie vor VPA das erstrangige Antikonvulsivum gefolgt von Topiramat (TPM) und LTG. Analog den Empfehlungen im Kindesalter sind VPA und Ethosuximid (ESM) gleichermasen Medikamente der 1. Wahl bei Epilepsien mit Absencen. Medikament der 2. Wahl ist LTG. Phenobarbital (PB) und Primidon (PRM) sind Medikamente der 3. Wahl, wenn bilateral konvulsive Anfalle bestehen. In Kombination kann LEV eine sehr sinnvolle Moglichkeit darstellen. Allerdings ist die Monotherapie, also der Standard, mit LEV eine Off-label-Therapie ebenso wie alle Therapien idiopathischer und generalisierter Epilepsien uber die juvenile myoklonische Epilepsie hinaus. Trotzdem hat sich gezeigt, dass Epileptologen in Deutschland sich uber dieses Problem durch den rationalen und richtigen Einsatz von LEV hinwegsetzen. Ein Absetzen der Antikonvulsiva sollte erst nach mehrjahriger Anfallsfreiheit erwogen werden. Am gunstigsten ist die Prognose, wenn der wesentliche auslosende Faktor nicht mehr besteht oder beseitigt werden konnte.
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